Naturbühne Blauer See An der Naturbühne entstehen immer neue Fantasiewelten

Ratingen · Winnetou, Räuber Hotzenplotz oder Peter Pan und Pippi Langstrumpf – sie alle waren schon auf der Naturbühne am Blauen See zu Gast. Das Areal hat eine lange Geschichte. 

Zehn Jahre lang spielte Pierre Brice die Rolle des Winnetou auf der Naturbühne am Blauen See.

Zehn Jahre lang spielte Pierre Brice die Rolle des Winnetou auf der Naturbühne am Blauen See.

Foto: H.D.Wurm

() Wilde Schießereien, träumerische Ritte durch die Prärie oder abenteuerliche Verfolgungsjagden – seit Jahrzehnten ist die Naturbühne am Blauen See Kulisse für immer neue Fantasiewelten. Generationen von Theaterfreunden jeden Alters fieberten hier mit ihren Helden. Und tun es noch. Bis heute dient der einzigartige Schauplatz die Bühne für Theaterstücke. Zurzeit verwandelt das Ensemble von Theater Concept das Gelände in ein schwedisches Dorf, in dem Pippi Langstrumpf für ordentlich Wirbel sorgt.

Das Ensemble von Theater Concept probt gerade Pippi Langstrumpf. Die Kulisse steht schon. Die erste Aufführung ist am 5. Juni.

Das Ensemble von Theater Concept probt gerade Pippi Langstrumpf. Die Kulisse steht schon. Die erste Aufführung ist am 5. Juni.

Foto: Achim Blazy (abz)

Ihre Existenz verdankt die Naturbühne einer weniger romantischen Aktivität. Seit dem 15. Jahrhundert wurde in Ratingen Kalk abgebaut. Der Stein entstand vor mehr als 300 Millionen Jahren aus den versteinerten Resten riesiger Korallenriffe. Die Zeit, dass Schienen durch das Gelände führten und schwere Wagen dort ein und ausfuhren, um den begehrten Rohstoff abzutransportieren und zu den Brennöfen zu bringen, die ebenfalls auf dem Gelände standen, endete 1932 als die Ratinger Kalkwerke den Betrieb einstellten. Die „Kuhle“ füllte sich mit Grundwasser, der Blaue See entstand. Gerüchten zufolge sollen bis heute bei klarer Sicht Schienen und eine Lore am Grund des Sees zu sehen sein. Die blaue Farbe soll übrigens daher rühren, dass das mit Calcium gesättigte Wasser für eine blaue Färbung sorgt.

 Der Ratinger Georg Frohnhoff hatte 2013 als Kutscher einen Auftritt in Michel aus Lönneberga.

Der Ratinger Georg Frohnhoff hatte 2013 als Kutscher einen Auftritt in Michel aus Lönneberga.

Foto: Achim Blazy (abz)

In unmittelbarer Nachbarschaft des Blauen See, ein wenig höher gelegen, befindet sich die Freilichtbühne. Auch hier wurde Kalk abgebaut und die Grube füllte sich mit Wasser. Ein Teil des Geländes blieb trocken und bildet heute die Freilichtbühne. Das mit Wasser gefüllte Areal fand als „Graues Loch“ Einzug in den Sprachschatz der Ratinger.

Der Räuber Hotzenplotz trieb 2008 sein Unwesen. Bis zu 1200 Zuschauer haben auf der Tribüne Platz.

Der Räuber Hotzenplotz trieb 2008 sein Unwesen. Bis zu 1200 Zuschauer haben auf der Tribüne Platz.

Foto: Achim Blazy (abz)

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der Wunsch nach kreativer und kultureller Zerstreuung. Genau ist es nicht zu belegen, aber der Ratinger Schauspieler Friedrich Theuring – vielen als Opa Wilhelm aus der Serie Marienhof bekannt – soll das Areal als Naturbühne ins Gespräch gebracht haben. 1949 initiierte Theuring die ersten Karl-May-Spiele auf der Naturbühne. Für die erste Spielzeit „Old Shatterhand“ schrieb er mit seinem Schauspielkollegen und Freund, Bernd Nesselhut, der 1949 den Old Shatterhand spielte, das Buch und führte bei dieser und späteren Inszenierungen Regie. Theuring selbst wirkte als Old Wabble mit.

 Dass mindestens ein Schauspieler baden geht, gehört längst zum Programm.

Dass mindestens ein Schauspieler baden geht, gehört längst zum Programm.

Foto: Achim Blazy (abz)

Bis 1994 war die Naturbühne schließlich jeden Sommer Schauplatz unzähliger Geschichten von Karl May. Spätestens als Pierre Brice im Jahr 1976 in „Der Ölprinz“ die Rolle des Winnetou übernahm, wurde die Naturbühne auch überregional bekannt. Mit Ausnahme des Jahres 1981 spielte Brice bis 1986 am Blauen See.

 Auf dem See, in Ratingen als Graues Loch bekannt, wurden schon Piraten- und Wikingerschiffe gesichtet.

Auf dem See, in Ratingen als Graues Loch bekannt, wurden schon Piraten- und Wikingerschiffe gesichtet.

Foto: Achim Blazy (abz)

Auch Klassiker von Shakespeare, Schiller und Goethe oder „Die Nibelungen“ wurden auf der Freilichtbühne aufgeführt, gelangten aber nicht zu der Bekanntheit wie die Karl-May-Spiele. Für mittelalterliche Ritterspiele eignete sich die Kulisse ebenso wie für Mozartaufführungen oder in der Szene legendäre Techno-Parties mit Sven Väth, die bis zu 10.000 Besucher anzogen.

Mit dem Stück „Der gestiefelte Kater“ wurde 1952 zum ersten Mal ein Kindertheaterstück auf der Naturbühne inszeniert. Seit 1999 verwandeln Schauspieler das Gelände jedes Jahr aufs Neue in fantasievolle Landschaften und erwecken mit ihren Einfällen das Areal zum Leben.

Bis zu 1200 Zuschauer können jeden Sommer auf der Tribüne die Geschichten von Peter Pan, Ronja Räubertochter, dem Räuber Hotzenplotz, das Dschungelbuch oder Michel aus Lönneberga erleben. Der See wird dabei in die Inszenierung integriert. Dort fuhren bereits Piraten- und Wikingerschiffe. Und – wie sollte es anders sein – regelmäßig fällt auch mal ein Ensemblemitglied ins Wasser. Theater Concept hat diesen Spaß inzwischen zum Markenzeichen gemacht und fest ins Drehbuch eingebaut. Auch bei der diesjährigen Pippi-Langstrumpf-Inszenierung wird ein Schauspieler baden gehen. Wer – wird nicht verraten.

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