Coronavirus-Krise Was tun bei Streit und Konflikten daheim?

Angesichts von Corona rücken wir zu Hause räumlich enger zusammen. Das birgt Konflikte. Die Psychologin Heike Preukschat rät zur Ruhe.

 Psychologin Heike Preukschat aus Homberg gibt Rat.

Psychologin Heike Preukschat aus Homberg gibt Rat.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Seit mehr als einer Woche sind alle Schulen und Kitas im Land geschlossen, viele Menschen arbeiten im HomeOffice. Das öffentliche Leben ist stark eingeschränkt. Unser Ministerpräsident und die Kanzlerin raten unisono dazu, zu Hause zu bleiben, um die Ausbreitung des gefährlichen Virus‘ einzudämmen. Aber bleiben die Menschen zu Hause und hocken enger und länger aufeinander, sorgt das auch für enormes Streit- und Konfliktpotential. Die Konflikte bleiben zu Hause und damit in der Familie und können nicht mehr wie sonst im Berufsalltag, bei Freunden oder etwa beim Sport ventiliert werden.

Heike Preukschat (53) aus Ratingen-Homberg ist diplomierte Psychologin und weiß, wie wir uns jetzt am besten verhalten sollen, um Streit zu vermeiden. Denn den wird es unvermeidlich geben angesichts der vielen Herausforderungen in Zeiten des Coronavirus‘. Nur einige Schlagwörter: Langeweile zu Hause, das Gefühl eingesperrt zu sein, räumliche Enge, weniger Freiräume und die Sorge und Unsicherheit, wie es beruflich weiter geht.

 Umso wichtig sei es in Krisenzeiten wie den heutigen Ruhe zu bewahren, sagt die Psychologin Preukschat. „Ruhe zu bewahren ist sicher unerlässlich. Die Krise bringt große Veränderungen im Alltag und viele Sorgen mit sich. Es braucht Zeit, sich mit diesen neuen Anforderungen auseinander zu setzen.“ Am Anfang steht laut Preukschat dabei die Neustrukturierung des Alltags. Heißt: Es braucht zum Beispiel neue Absprachen für Lern- und Spielzeiten. „Kindern sollten Aufgaben im Haushalt übertragen werden, natürlich abhängig von ihrem Alter“, sagt Heike Preukschat.

Ferner braucht es selbstredend auch weiterführende Strategien für die Bewältigung des eingeschränkten Alltags in der heutigen Krisenzeit, nur haben diese viele Menschen nicht. Weil sie das nie geübt haben. Wir brauchen diese Strategien ja sonst kaum. Das erweist sich nun als Trugschluss. Wer geübt ist, sich alleine über einen längeren Zeitraum zu beschäftigen, sei es mit Büchern, Spielen oder anderen Dingen, hat jetzt Vorteile. Wer sein Leben vollständig auf die Interaktion mit Mitmenschen ausgerichtet hat, was nun ja nicht mehr so einfach ist, bekommt schneller den aktuell viel zitierten Lagerkoller.

 Heike Preukschat weiß auch, wie man Streit in der Familie in Zeiten von gegenseitiger Dauerpräsenz vorbeugen kann. „Zum Glück waren unsere Politiker so umsichtig, keine Ausgangssperre zu verhängen. Sich draußen bewegen zu können ist in belastenden Zeiten besonders wichtig. Bewegung baut Stress ab und beugt damit Familienstreitigkeiten vor.“ Preukschat nennt etwa eine Fahrradtour für Eltern und Kinder als mögliche Auszeit oder als Entspannung. Ihre Begründung: „Jeder kann da seinen Gedanken nachgehen und den Sonnenschein genießen.“ Alternativ könnten es auch lange Spaziergänge oder Läufe an der frischen Luft sein – natürlich mit dem nötigen Mindestabstand zu anderen Spaziergängern oder Läufern.

 Wir merken derzeit, wie uns Regel und Gesetze stark beeinflussen, aber auch helfen, das Virus einzudämmen.

Einige klare Kommunikationsregeln im Alltag jetzt zu befolgen, sei sehr wichtig, erklärt die Psychologin. „Klare Absprachen sind in diesen Zeiten besonders wichtig. Diese geben Kindern Halt und Orientierung.“ Familiengespräche, die Raum für die Fragen und Sorgen der Kinder einräumten, seien hilfreich. Also lieber einmal mehr reden als einmal zu viel zu schweigen. Zum Beispiel könnte man Familiengespräche im Rahmen einer „Kuschelzeit“ nach dem Mittagessen ritualisieren, sagt Preukschat. Und: „Vor dem Einschlafen besser schöne Erlebnisse teilen, damit Kinder ruhig einschlafen können.“

Aktuell bleibt es nicht aus, dass genervte Eltern ihre Kinder auch mal länger vor dem Fernseher parken oder mit dem Smartphones spielen lassen, um selber einmal durchzuatmen.

Wie viel fern sehen ist aber gesund und was für ein (Bildungs-)Programm sollte ausgewählt werden?

Preukschat: „Nach meiner Einschätzung darf es für besondere Zeiten auch besondere Regeln geben. Kinder sollten wissen, dass der höhere Fernsehkonsum eine Ausnahme ist und wissen, wie lange sie was anschauen dürfen. Die Medien bieten uns heute gute Möglichkeiten. Gegen einen Kinderfilm, der zeitlich begrenzt ist, ist nichts einzuwenden. Wichtig ist, dass sich auch die Eltern an die Absprachen halten.“

Die jetzige Krisenzeit birgt aber auch Potentiale und Chancen – auf Veränderungen innerhalb des Mikrokosmos Familie und sogar gesamtgesellschaftlichen Ausmaßes.

Das sagt die Psychologin zu dem Mehr an gemeinsamer Familienzeit: „Vielleicht kommen wir an den Punkt, die gemeinsame Zeit genießen zu können. Ohne Zeitdruck und Hektik in den Tag zu starten. In Gesprächen, die Platz für Gefühle und Sorgen haben, kann viel Nähe entstehen.“

 Um solche Szenarien zu vemeiden, ist insbesondere jetzt mehr denn je gegenseitiges Veständnis gefragt.

Um solche Szenarien zu vemeiden, ist insbesondere jetzt mehr denn je gegenseitiges Veständnis gefragt.

Foto: Jan-Philipp Strobel dpa

Nähe, die im hektischen Alltagstreiben oft zu kurz kommt. Aber die von jedem gebraucht wird. Vielleicht wird das angesichts der gegenwärtigen Coronavirus-Krise nun deutlicher. Eine Rückbesinnung auf das, was wirklich zählt? Dann hat Heike Preukschat noch einen Tipp für Eltern von Jugendlichen parat: „Eine besondere Herausforderung stellt diese Zeit für Jugendliche dar. Sie brauchen in besonderer Weise soziale Kontakte. Es ist gut, wenn sie telefonieren und skypen können.“

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