Heiligenhaus Als die Stadt noch Kinos hatte
Heiligenhaus · Als Dorf, das erst 1897 eine selbstständige Gemeinde wurde, war Heiligenhaus mit der Gründung eines Kinos im Jahr 1910 sehr fortschrittlich. Eine Erinnerung an die einmal sehr lebendige Lichtspielgeschichte der Stadt.
Es war einmal — so fangen Märchen an und Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wie die Geschichte der Heiligenhauser Kinos. Wenn heute Abend um 22 Uhr das Filmkunstwerk "Pina" von Wim Wenders im John-Steinbeck-Park über eine Großleinwand von acht mal zwanzig Meter flimmert, werden ältere Besucher vielleicht auch an die örtlichen Filmtheater von einst zurückdenken. Als Dorf, das erst 1897 eine selbstständige Gemeinde wurde, war Heiligenhaus mit seinen 7150 Einwohnern und der Gründung eines Kinos im Jahr 1910 sehr fortschrittlich.
"Die Fotografie gab es zwar schon ein halbes Jahrhundert lang, aber die Bilder hatten erst 15 Jahre zuvor, ab 1895, das Laufen gelernt", erzählt Stadtarchivar Hartmut Nolte. Dass das Kino schnell und über fünf Jahrzehnte eine etablierte Kultureinrichtung in Heiligenhaus wurde, ist vor allem dem Ehepaar Leicht zu verdanken. Walter Leicht, 1889 in Heiligenhaus geboren, war Friseur und hegte eine große Leidenschaft fürs Kino. In den Annoncen der zahlreichen Vereine war bald zu lesen: "Thalia-Theater — Modernes Lichtspieltheater im Hotel Central. Direktion Leicht und Außendorf. Vorführung nur erstklassiger Bilder".
In alten Zeitungen gibt es wahre Lobgesänge über das erste Kino mit "losen Stühlen für rund 150 Personen Sitzgelegenheit" und seine "herrlichen Stummfilme" wie die "wunderbare Komödie: Der Teufel ist los". Naturaufnahmen und viele humoristische Einlagen gehörten dazu. Es gab Kino am laufenden Band. Der Eintritt war jederzeit möglich und der Besucherandrang enorm. Bereits 1914 konnte der Kinonarr Leicht im Oberdorf ein neues "Apollo-Lichtspieltheater" eröffnen, mit einer auffallenden Fassade im klassizistischen Stil. Aber die Wirren des Ersten Weltkrieges, die damit einhergehenden Gesetze mit verminderter Nachfrage der Bevölkerung und ein Brand führten zur Schließung.
Lichts Leidenschaft erlosch nicht und so konnte er 1928 das neue Capitol Theater gegenüber der heutigen Bayernstraße eröffnen. Und das mit der "köstlichsten deutschen Groteske: Es zogen drei Burschen — drei Seelen, ein Gedanke". 1931 hielt der erste Tonfilm "Dich hab ich geliebt" in Heiligenhaus Einzug. Im Beiprogramm lief der "größte Sensationsfilm des Jahres: "Die Jagd nach der Million" mit Luciano Albertini. Während des Zweiten Weltkriegs verschwanden die internationalen Filme. Die angebotenen Produktionen, vor allem die berühmt-berüchtigten UFA-Filme, standen ganz im Zeichen der nationalsozialistischen Ideologien. Als Walter Leicht 1937 starb, übernahm seine Frau Erna das Kino, zeigte in den letzten Kriegstagen 1945 noch den Film "Musik in Salzburg" mit den damaligen Stars Willy Birgel und Lil Dagover. Die Witwe führte das Kino nach dem Krieg in die hohe Zeit des Filmtheaters.
1951 übernahm Heinz Müller mit seiner Ehefrau das "Capitol" und betrieb es bis 1961. Als Pächter hatten sie bereits in der Hauptstraße 172 (heute Woolworth) das Kronen-Theater für kulturelle Veranstaltungen übernommen. Der Umbau des Hotelsaals "Zur Krone" zum modernsten Filmtheater Heiligenhaus mit Breitleinwand, 118 Plätzen auf dem Balkon und 430 in Parkett und Loge wurde 1954 mit bekannten Operettenstars und dem Film "Der Zigeunerbaron" eingeweiht. Die Presse schrieb Lobeshymnen.
Unter den modernsten Voraussetzungen sei eine großartige Stätte für Film und Bühne geschaffen worden, die mit jeder Großstadt konkurrieren könne, hieß es. Fortan flimmerten die besten Filme der europäischen Starregisseure Roberto Rosselini, Luchino Visconti, Frederico Fellini und Francois Truffo über die Bühne. Aus Amerika wurden "Denn sie wissen nicht was sie tun" mit James Dean oder "Endstation Sehnsucht" mit Marlon Brando zu unvergesslichen Hits. Aber die zunehmende Verbreitung des Fernsehens führte schließlich zum Besucherschwund. 1975 schloss das über Jahrzehnte erfolgreiche "Kronen Theater".
1974 musste auch das Kino "Filmbühne" schließen. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Heiligenhauser Bevölkerung durch den Zustrom der Ostflüchtlinge rasant zunahm, wagte Filmvorführer Karl Conrad 1949 mit einem zweiten Filmspielort den Schritt in die Selbstständigkeit und pachtete in der Hauptstraße 227 (nahe der Alten Kirche) den Saal der Gaststätte "Heiligenhauser Hof" — mit Platz für 400 Kinogänger. Mit "Verführte Hände", dem Kultfilm "Ein Marienleben" und der "Wochenschau" begannen die Vorführungen. Mit zwei Kinos am Ort gab es bis Mitte der 70er Jahre Filmkunst auf hohem Niveau.
Fünf Jahre herrschte dann totale Kino-Abstinenz. Versuche eines Kleinkinos in den 80er und 90er Jahren im Haus der heutigen Tanzschule Heigl scheiterten.