Ratingen Als die Damen noch Hüte trugen

Ratingen · Das Museum Cromford beschäftigt sich mit der Kulturgeschichte der Kopfbedeckungen. Es darf auch probiert werden.

 Museumsleiterin Claudia Gottfried setzt sich in der Probierecke einen Freizeithut auf. Im Museum Cromford werden ab Sonntag alte und neue Kopfbedeckungen gezeigt.

Museumsleiterin Claudia Gottfried setzt sich in der Probierecke einen Freizeithut auf. Im Museum Cromford werden ab Sonntag alte und neue Kopfbedeckungen gezeigt.

Foto: Achim Blazy

"Ohne Hut keine Dame!" Was heute niemand mehr sagen würde, war bis in die 1960er Jahre noch völlig selbstverständlich. Was Frau oder Mann auf dem Kopf trugen, sagte eine Menge über Beruf, Alter, Stand oder Würde aus. Wenn im 19. Jahrhundert eine Frau unter die Haube kam, war dies durchaus wortwörtlich zu nehmen: Sobald eine Frau verheiratet war, hatte sie eine Kopfbedeckung zu tragen, wenn sie das Haus verließ. Der Herr von Stand trug dagegen einen Zylinder auf dem Kopf, der allerdings auch etwas über die politische Gesinnung verraten konnte. Denn der Zylinder begann seine Karriere als Hut des Revoluzzers, bevor er zum Sinnbild des Bürgers im 19. Jahrhundert wurde. Selbst in den 1960er Jahren galt: Zu einer kompletten Ausgehgarderobe gehörte unbedingt der Hut, der auf Mantel, Kostüm oder Anzug abgestimmt sein musste.

 Ein Hut aus den 40er Jahren: Dafür musste nur ein Vogel Federn und Leben lassen. Bei anderen Kreationen waren es bis zu 40 Tiere.

Ein Hut aus den 40er Jahren: Dafür musste nur ein Vogel Federn und Leben lassen. Bei anderen Kreationen waren es bis zu 40 Tiere.

Foto: Blazy, Achim (abz)

"Der Hut war wahrscheinlich eines der ersten Kleidungsstücke, die die Menschheit erfunden hat", sagt Claudia Gottfried vom LVR-Industriemuseum in Cromford. Die neue Ausstellung "Chapeau! 150 Jahre Hutgeschichte(n)" beschäftigt sich ab Sonntag, 15. Juni, mit der Kulturgeschichte des Hutes über die Zeit von 1850 bis in die Gegenwart. Nicht fehlen dürfen dabei natürlich zahlreiche Exponate, die den Geschmack des jeweiligen Jahrzehnts widerspiegeln.

Eine etwas fragwürdige Rolle dürften dabei die Hüte aus den 1940er Jahren spielen. Damals trug die Dame von Welt Kopfbedeckungen, in die unter anderem tote Vögel eingearbeitet wurden. So wird eines der Exponate von den Mitarbeitern des Museums etwas despektierlich "Das Massaker" genannt. In ihm sind kunstvoll zehn kleine, bunte Vögel eingearbeitet, die allerdings erst aus der Nähe zu erkennen sind. Bei einem anderen Exemplar ist dagegen gleich ein ganzer Vogel zur Zierde verarbeitet worden, die Federn schmiegen sich kunstvoll um den Kopf herum.

Federn spielen übrigens auch heute noch eine große Rolle beim Hutdesign. Gemeinsam mit Bändern, Schleiern, Früchten, Blüten, Hutnadeln und Broschen werden schillernde Federn in den Werkstätten der Modistinnen verwendet, um aus der Hutbedeckung ein Kunstwerk mit dem gewissen Etwas zu zaubern. Die Frau von Welt trägt diese Modeschöpfungen auch heute noch gerne auf den Rennbahnen dieser Welt, berühmt sind vor allem die Auftritte in England. Dort werden neben den extravagantesten Exemplaren auch die sogenannten Fascinators gerne getragen. Von der Insel kommen denn auch viele der Kopfbedeckungen, die in der Ausstellung zu sehen sind. Denn das Museum hat eine Hutsammlung aus England erworben. Die Vielfalt der Hüte und Kappen ist dabei enorm. Von der Badekappe bis zur Spitzenhaube, vom Wagenrad bis zum Topfhut, von Hut mit Kirschen bis zum modernen Beanie ist alles zu sehen, was in den vergangenen 150 Jahren auf dem Kopf getragen wurde.

Dabei ist die Wahl der Kopfbedeckung natürlich auch eine Frage des persönlichen Geschmacks. Wer testen will, welcher Hut ihm oder ihr steht, hat in der neuen Ausstellung die Gelegenheit. In der Mitmachstation stehen Bogard-Hut, Trilby, Pillbox, eine rosa Pilotmütze und zahlreiche weitere Exemplare bereit, um vor dem Spiegel ausprobiert zu werden. "Spannend ist, wie sich durch einen Hut die eigene Wahrnehmung verändert", sagt Claudia Gottfried.

Ein weiteres Highlight der Ausstellung ist ein Film über einen Hutmacher der alten Schule, der noch alle Arbeitsschritte der Hutherstellung in Handarbeit durchführt. Zudem wird der Niedergang der Hutindustrie in einer Bildreihe von Lorenz Kienzle thematisiert, der 1999 in der ehemaligen Hutmacher-Hochburg Guben die letzten Tage einer guten alten Hutfabrik dokumentiert hat.

(RP)
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