Ratingen Als Bomben die Stadt verwüsteten

Ratingen · Heute jährt sich der Luftangriff der Alliierten auf Ratingen zum 74. Mal. Der Angriff kurz vor Kriegsende erfolgte am 22. März 1945 in drei massiven Wellen.

 So sah es nach den Angriffen am 22. März 1945 aus: Ein Blick von der Mülheimer Straße  in die Hochstraße.

So sah es nach den Angriffen am 22. März 1945 aus: Ein Blick von der Mülheimer Straße  in die Hochstraße.

Foto: Stadtarchiv

(RP/kle) Es ist zweifellos ein historisches Datum. Am heutigen Freitag, 22. März, jährt sich der Luftangriff der Alliierten im Zweiten Weltkrieg auf Ratingen. Dieser Bombenangriff war der schwerste auf die Stadt. Besonders verheerend waren die Zerstörungen in der Ober-, Hoch- und Bahnstraße. Allein im März 1945, wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs, hatte die Stadt zuvor bereits 117 Warnungen vor Luftangriffen der Alliierten und 50 Luftalarme erlebt.

Amerikanische Aufklärungsflugzeuge hatten am Vortag Ratingen und Umgebung fotografiert. Anhand dieser Aufnahmen wurde der Angriff vorbereitet, Zielbereiche wurden festgelegt. Bomber starteten am 22. März, kurz vor 8 Uhr in Mendlesham und Great Ashfield, Ostengland, und erreichten Ratingen via Belgien um 12.15 Uhr. Es könnten bis zu 75 Flugzeuge vom Typ B 17, „fliegende Festungen“, gewesen sein.

Sie operierten im Rahmen eines größeren Angriffs in der Region, um den für den folgenden Tag geplanten Rheinübergang der Alliierten zu verschleiern. Insgesamt griffen 2000 Flugzeuge Ziele auf der rechten Rheinseite zwischen Düsseldorf und der Lippemündung an.

Ratingen wurde wegen der vermuteten Konzentration von deutschen Truppen und Material ausgewählt. Vielleicht wurde aber auch die Strategie der Flächenbombardements zur Demoralisierung der Zivilbevölkerung fortgesetzt, nachdem zuvor die deutsche Luftwaffe in den ersten Kriegsjahren zahlreiche europäische Städte ebenso in Schutt und Asche gelegt hatte.

Der Luftangriff dauerte nur eine Viertelstunde. An diesem Donnerstag wurden 800 Sprengbomben und 47.000 Brandbomben über der Innenstadt und nördlich der Stadt im Bereich Haus zum Haus abgeworfen. Der Angriff erfolgte in drei Wellen aus einer Höhe von ungefähr 7000 Metern bei klarer Sicht.

Ein Zeitzeuge erinnert sich genau an diesen Tag: „Am Mittag des 22. März – es war ein herrlich blauer Tag – habe ich draußen gespielt. Auf Sirenenalarm haben wir kaum noch reagiert. Man kannte das ja schon seit Jahren. Aber diesmal rief meine Mutter vom Balkon, ich solle schnell in den Keller kommen. Am Himmel sah ich noch einen Bomberverband, bestehend aus drei Staffeln mit je zwölf ,Fliegenden Festungen’, wie die amerikanischen B 17-Bomber genannt wurden. Und kaum war ich im Keller, da brach das Inferno los. Heulen und Pfeifen, das Haus erzitterte – es kam mir vor wie eine Ewigkeit.“

Die Familie – Vater, Mutter, ein jüngerer und ein älterer Bruder – überlebte den Angriff unverletzt, ihr Haus blieb weitgehend unbeschädigt.

Den zweiten Bomberverband hatte er nicht selbst sehen können. „Sie kamen aus einer anderen Richtung. Nach dem Angriff gab es eine Reihe von Gerüchten um das genaue Ziel. Es sollte das alte Gestapo-Hauptquartier an der Mülheimer Straße gewesen sein. „Aber das ist Unfug“, sagt der Zeitzeuge. Vielmehr diente der Angriff der Vorbereitung der Rheinüberquerung der Alliierten einen Tag später.

Der Zeitzeuge selbst forscht jetzt an historischer Stätte. Inzwischen beherbergt der Bau an der Mülheimer Straße das Stadtarchiv. In Ratingen starben bei dem Angriff mindestens 118 Menschen, 213 wurden verletzt. 101 Gebäude mit 283 Wohnungen wurden vollständig zerstört.

Unter den Opfern waren auch sieben Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Im Poensgenpark schlugen 23 Bomben ein und zerstörten das sogenannte Angerhaus. Darin starben die Frau des Gärtners, Hedwig Kops, mit ihrer sechsjährigen Tochter Ingrid, das Ehepaar Helmuth und Ursula Poensgen und ihr Betriebsdirektor Karl Josef Mirbach. Die Eheleute Poensgen waren zuvor von Düsseldorf ins vermeintlich sicherere Ratingen umgezogen.

Knapp vier Wochen später, am 17. April 1945, rückten US-Soldaten kampflos in Ratingen ein und beendeten den Krieg hier.

Die Zeit des Naziterrors und des Zweiten Weltkriegs beschäftigt Historiker in Medienzentrum und Stadtarchiv natürlich auch weiterhin.

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