Ratingen "Alles, was glänzt"
Ratingen · Christine Absmeier hat die Sonderausstellung "Schlossgeschichten. Adel in Schlesien" im Oberschlesischen Landesmuseum in Hösel konzipiert und umgesetzt, sprich: kuratiert. Wie wird man eigentlich Kurator? Und was am Adel ist heute noch so interessant?
Seit Herbst 2009 arbeitet Christine Absmeier (35) als wissenschaftliche Volontärin in Hösel. Zuvor studierte sie Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte in Stuttgart und an der Humboldt-Universität Berlin. Zum Gespräch erscheint sie in Jeans und — das käme bei Adels sicherlich gut an — in dunkelblauer Schluppenbluse (die Vorstufe nennt sich Royalblau), trinkt Tee statt Kaffee. Ein Gespräch.
Man hört Ihnen an, dass Sie nicht aus Schlesien kommen, ihr Arbeitsplatz hat aber einen konkreten Bezug zu dieser Region . . .
Absmeier In der Tat bin ich in Eutin in Schleswig-Holstein geboren und in Niederbayern aufgewachsen. Meine Beziehung zu Schlesien rührt daher, dass ich an der Universität Stuttgart als Geschichtsstudentin gleich im ersten Semester Professor Norbert Conrads, einen gebürtigen Breslauer, und seinen Projektbereich Schlesische Geschichte entdeckt und bei ihm Seminare belegt habe. Ich habe gleich Feuer gefangen, arbeitete dort später auch als Hilfskraft. Es war eine tolle Zusammenarbeit. Meine Doktorarbeit habe ich über das schlesische Schulwesen im Jahrhundert der Reformation geschrieben. Sie ist gerade erst erschienen.
Was hat Sie von Stuttgart — ist ja doch eine Entfernung — ans Oberschlesische Museum nach Hösel gebracht?
Absmeier Ich war vier Jahre lang Mitglied des deutsch-polnischen Graduiertenkollegs "Adel in Schlesien". Eine Kommilitonin hat mich auf die Höseler Stellenausschreibung aufmerksam gemacht, und es hat auch prompt geklappt.
In Sachen "Adel in Schlesien" sind Sie also schon vorbelastet.
Absmeier Ja, und dieses Ausstellungsprojekt plante unser Direktor Stefan Kaiser schon, als ich anfing. Dass ich eine zeitlang in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Kreisau gearbeitet habe, hat mir sicher auch den Weg geebnet. In Hösel absolviere ich jetzt ein zweijähriges Volontariat als Vorbereitungsdienst für die wissenschaftliche Museumslaufbahn.
Nun ist Hösel ja ein vergleichsweise kleines Haus ...
Absmeier Richtig, aber das hat auch viele Vorteile. Hier bekommt man schnell Einblick in sämtliche Arbeitsbereiche und kann früh Verantwortung übernehmen. Außerdem hat unser Haus ein so weites Themenspektrum, dass ich mir hier ein ganz breites Wissen aneignen kann. Museumsarbeit habe ich schon während meines Studiums in verschiedenen Praktika gelernt, etwa wie man Objekte in einer Vitrine arrangiert. Außerdem habe ich Museumspädagogik in Esslingen gemacht. Mir ist bewusst, dass die Inszenierung einer Ausstellung heute zunehmend wichtiger wird. Bei der Luftfahrt- und bei der Kloster-Ausstellung habe ich mitgeholfen und viel gelernt.
Bei "Adel in Schlesien" sind Sie nun selbst in der Kuratorenrolle.
Absmeier Das ist eine spannende Aufgabe. Zunächst musste ein Konzept zur Ausstellung geschrieben werden: Was soll gezeigt werden, was ist interessant fürs Publikum? Dann haben wir, auf der Suche nach interessanten Exponaten, Anfragen an polnische, tschechische und deutsche Leihgeber geschickt.
Sie können Polnisch?
Absmeier Ich komme zurecht. Aber die eigentliche Korrespondenz, die Verhandlungen und Verträge, macht mein Kollege Gregor Ploch, der spricht perfekt Polnisch und Tschechisch.
Haben Sie zur Vorbereitung auch mal Gala oder Bunte gelesen? Oder betrachten Sie das Phänomen Adel eher wissenschaftlich-distanziert?
Absmeier Sicher, ich habe nach Zeitungsberichten für die Ausstellung gesucht, die hängen ja jetzt auch hier an der Wand. Meine Oma liebt die bunten Blätter und ist immer up to date, was gerade so in der Adelswelt passiert. Mich interessiert das als Historikerin. Aber der Glanz und Glamour von heute, das ist nichts für mich.
Was ist denn so interessant am historischen Adel?
Absmeier Mein besonderes Interesse gilt der Soziologie des Adels als gegenwärtige und historische Elite. Elite ist für mich erst einmal ein neutraler Begriff. Interessant sind die Strategien, die zur Einnahme einer solchen Position geführt haben — wie ist Adel zur Elite geworden, wie haben Adlige ihre Stellung behauptet, wie wird das über die Jahre und Jahrhunderte reproduziert. Adel ist eine interessante gesellschaftliche Gruppe unter anderen. Das kann man durchaus auch mit Jugendszenen von heute vergleichen, die haben ja auch ihre Begrüßungsrituale, spezielle Kleidung und andere gruppenkonstituierende Merkmale. Der Adel von heute, das sind für mich ganz normale Leute. Bei der Ausstellungsvorbereitung hatten wir persönlichen Kontakt mit vielen Adligen, und neulich war eine große adelige Besuchergruppe zu Gast im Museum. Wir haben sie als ganz normale, freundliche Menschen kennengelernt.
Gar nix mehr übrig von Glanz und Gloria?
Absmeier Also, unsere adeligen Besucher blieben uns vor allem durch ihre Höflichkeit und Liebenswürdigkeit in Erinnerung. Adel als Stand stabilisiert sich ja unter anderem durch den Nimbus, dass er etwas Besonderes ist, und das wirkt immer noch. Wobei es nicht so sehr der Reichtum ist, der die Leute fasziniert, sondern die mit dem Adel verbundenen Werte: Tradition, Religion, Konservatismus, das alles macht den Adel auch für die Menschen von heute interessant. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es viele Überschneidungen zwischen Adel und Bürgertum: Beide legen zum Beispiel Wert auf Bildung und gute Manieren, auf geschliffene Umgangsformen.
Färbt die intensive Beschäftigung mit dem Adel eigentlich schon auf Ihren Alltag ab?
Absmeier Hmmmm (langes Nachdenken). Ich glaube nicht. Das Teetrinken habe ich mir in Polen angewöhnt, das haben die polnischen Oberschichten ja im 19. Jahrhundert von den Briten übernommen. Und die blaue Schluppenbluse, naja, die trage ich, weil es halt gerade wieder in Mode ist. Der Adel ist auch wieder in Mode, vielleicht als Gegenpol zu unserer schnelllebigen Zeit.
Was zieht das Publikum in der Ausstellung denn am stärksten an?
Absmeier Zum Beispiel unsere Adelstafel mit Goldrand-Geschirr. Überhaupt alles, was glänzt. Und die Kinder lieben das Zimmer für kleine Ritter und Prinzessinnen.
Cordula Hupfer stellte die Fragen.