Schulzentrum in Radevormwald Elterntaxis – die tägliche Blechlawine

Radevormwald · Vor dem Schulbeginn wird es in der Hermannstraße eng und gefährlich. Viele Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zum Schulzentrum. Dabei geht es recht rücksichtslos zu.

  Ab etwa 7.40 Uhr ist die Hermannstraße dicht. Die einen Autos fahren von der Kaiserstraße ein, die anderen kehren vom Wendehammer zurück.

Ab etwa 7.40 Uhr ist die Hermannstraße dicht. Die einen Autos fahren von der Kaiserstraße ein, die anderen kehren vom Wendehammer zurück.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Wenn die Uhr auf 7.30 Uhr morgens rückt, dann wird es in der Hermannstraße in Radevormwald eng und hektisch. Sonst eine ziemlich ruhige Seitenstraße, verwandelt sie sich für etwa 25 Minuten in die Stelle mit dem wohl größten Verkehrsaufkommen in der Stadt.  Von der Kaiserstraße und der Friedrichstraße drängen sich Autos in Richtung des Schulzentrums. Manche halten rasch am Rand und lassen ihre Kinder aussteigen, andere drehen eine Runde auf dem Gelände vor der Realschule, parken kurz in einer der Haltebuchten. Zwischen die Autos mischen sich gelegentlich Schüler auf Rädern.

Von „Elterntaxis“ ist die Rede, wenn über das Phänomen der vielen Autos zum Schulbeginn gesprochen wird. In den sozialen Medien der Stadt wird das Thema schon seit längerem diskutiert. „Ich jedenfalls bekomme immer ‚nen Anfall, wenn ich so gegen 7.30 Uhr mit dem Auto hier weg muss“, schreibt eine Mutter in einer Facebook-Gruppe.

Morgens früh geht es eigentlich noch, meint Jennifer Bagliere, die an diesem Morgen ihre Tochter vor dem Theodor-Heuss-Gymnasium abgesetzt hat. „Schlimm ist es beim Abholen mittags, dann wird es wirklich katastrophal.“ Viele Fahrer nähmen leider keine Rücksicht. „Mir hat schon einmal jemand die Vorfahrt genommen, ich musste rasch zur Seite und habe die Felgen beschädigt.“

Für Petra Schulz aus Lennep ist es derzeit einfach die unproblematischste Lösung, ihren 15-jährigen Sohn per Auto an der Realschule abzusetzen. „Wir wohnen in Lennep, und die Busverbindung hierher ist da nicht besonders gut.“ Wenn es sich eben vermeiden lässt, fährt sie nicht direkt auf das Gelände des Schulzentrums. „Man kommt oft nicht durch“, sagt die Mutter. Auch ihr ist beim Manövrieren der „Elterntaxis“ schon einmal jemand „reingefahren“. „Jeder will hier der Erste sein“, seufzt sie. Mittags holt sie ihren Sohn nicht an der Hermann-, sondern an der Mühlenstraße ab, das ist weitaus entspannter.

Wer sich die Lage vor Ort anschaut, merkt rasch, wo das Problem ist: das Schulzentrum ist quasi eine Sackgasse, wer dort seine Sprössling abgesetzt hat, muss drehen und wieder die Hermannstraße zurück. So schieben sich in beide Richtungen stetig Verkehrsströme. Und von der Friedrichstraße her drängen weitere Wagen in die nicht allzu breite Straße.

Matthias Fischbach-Städing, Leiter des Theodor-Heuss-Gymnasiums, kennt das Problem gut. „Die Kollegen schlagen manchmal die Hände über den Kopf, wenn sie sich das ansehen“, sagt der Pädagoge. Gott sei Dank sei es bislang nie zu einem schweren Unfall gekommen. Natürlich habe man immer wieder versucht, mit den Eltern zu reden, zum Beispiel bei den Klassenpflegschaftssitzungen, aber das hat wenig gefruchtet“.

Auch Sandra Pahl, die Rektorin der Sekundarschule, hält es für ein kleines Wunder, dass noch nie ein Unfall passiert ist, wie er vor einigen Wochen in Mönchengladbach Schlagzeilen gemacht hat. Ein acht Jahre altes Mädchen wurde dort von einem „Elterntaxi“ überrollt und starb. „Ich erlebe das hier morgens als Katastrophe“, sagt Pahl. Die Verwaltung kenne das Problem und habe die Kollegien der Schulen vor einigen Jahren gebeten, Anreize zu schaffen, damit weniger Eltern ihre Kinder mit dem Auto vor die Türe bringen. „Wie sollen wir das denn leisten?“, fragt Pahl.

Besonders gefährlich sei es, wenn die „Elterntaxis“ gewagte Wendemanöver durchführten. „Jetzt im Winter, mit den den SUVs, mit den beschlagenen Scheiben – die sehen die Kinder doch nicht!“ In der warmen Jahreszeit trügen leider auch Schüler mit ihren Rädern zur Gefährlichkeit der Lage bei. „Die brettern die Straße runter, oft ohne Schutzhelm“, so die Schulleiterin. Die Frage stelle sich, ob es nicht Möglichkeiten gebe, die Kinder an einer Stelle aussteigen zu lassen, wo es weniger gefährlich ist. „Zum Beispiel vorne beim Netto-Markt“, meint Sandra Pahl. Mit dem Ordnungsamt habe man auch schon darüber gesprochen, an verschiedenen Punkten „Elternhaltestellen“ zu schaffen.

Jochen Knorz, Leiter des Ordnungsamtes, bestätigt, dass man zu diesem Thema regelmäßig im Austausch mit den Schulen ist. „Es gibt ja mit der Schleife an der Mühlenstraße für die Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder an einem anderen Ort aussteigen zu lassen“, sagt er. Leider führen viele Eltern doch lieber in die Hermannstraße hinein. Knorz ist der Meinung, dass es für die Kinder zumutbar sei, in einer gewissen Entfernung von der Schule abgesetzt zu werden, „wenn von dort ein gesicherter Schulweg existiert“. Leider gebe es auch Familien, die in fußläufiger Entfernung wohnten, und dennoch den Nachwuchs fahren.

Mutter Petra Schulz jedenfalls freut sich auf eine Zeit, in der sie sich das tägliche Manövrieren durch die Blechlawine sparen kann: „Wir ziehen demnächst nach Rade, dann kann mein Junge den Weg zu Fuß machen.“

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