Heimatkultur in Radevormwald Früher sagte man: „Iss’ Kappes, du Lappes!“

Radevormwald · In Radevormwald ist das Kult-Gemüse auch in der Sprache verankert. Hans-Joachim Harnischmacher kennt alle Weißkohl-Anekdoten. Und er erklärt, woher der Begriff „Kappeskopp“ kommt.

 Sauerkraut ist nicht nur deftig und lecker, sondern auch sehr gesund. In Krisenzeiten war es wegen des hohen Vitamingehaltes ein probates Mittel gegen Mangelerscheinungen.

Sauerkraut ist nicht nur deftig und lecker, sondern auch sehr gesund. In Krisenzeiten war es wegen des hohen Vitamingehaltes ein probates Mittel gegen Mangelerscheinungen.

Foto: Shutterstock/Shutterstock/BGSmith

In der zweiten Jahreshälfte kommt der Weißkohl besonders häufig auf den Tisch. Im Bergischen Land und im Ruhrgebiet heißt Weißkohl Kappes und wird am liebsten zu deftigen Speisen, wie Eisbein, serviert. In Radevormwald ist der Kappes fest verankert. Das gilt nicht nur für die heimischen Rezepte, sondern auch für den Sprachgebrauch der Bergischen.

Hans-Joachim Harnischmacher ist in Radevormwald aufgewachsen und mit über 90 Jahren ein Urgestein der Stadt. Er kennt die Stadt auf der Höhe in- und auswendig und somit auch sämtliche Anekdoten zu dem Wort Kappes. Die Rader Mundart pflegt er weiterhin und hofft darauf, dass die frühere Sprache der Masse auch weiterhin gepflegt wird.

„Früher gab es in jedem Zuhause einen Kappesschaber und einen dazugehörigen Stampfer. Mit dem großen Schaber wurde der Kohl in Streifen geschnitten, das war ein Messer mit einer einzigartigen Form. Sauerkraut wurde dann selber in großen Steintöpfen eingelegt“, erinnert sich Harnischmacher. In den Steintöpfen wurde der Weißkohl dann Schicht für Schicht mit Salz eingedeckt und fest zusammen gedrückt. Oft mit der Hilfe von Händen und Füßen. „Die Steintöpfe wurden dann mit Wackersteinen beschwert. Die Töpfe entdeckt man heute immer noch in Radevormwald, allerdings mittlerweile meistens als Blumentopf.“

Obwohl Weißkohl mehr als ein Grundnahrungsmittel war und Sauerkraut besonders in den Kriegsjahren täglich gegessen wurde, ist Hans-Joachim Harnischmacher den Kappes nie leid geworden. „Ich esse immer noch sehr gerne Sauerkraut. Am liebsten mit Kassler oder Eisbein. Salzige Beilagen schmecken zu Weißkohl gut. Früher war Fleisch allerdings sehr teuer, sodass es bei uns nur sonntags, wenn wir Glück hatten, gegessen wurde.“

Im Rader Bismarckwerk hat Hans-Joachim Harnischmacher den Spruch „Es ist 12 Uhr, der Kappes ist sur“ gelernt. „In der Mittagspause haben wir Sauerkraut und Kartoffeln gegessen. Nach einer Viertelstunde ging es dann wieder an die Arbeit.“ Gängig war in Radevormwald auch die Redewendung „Wer auf den lieben Gott vertraut und im Sommer Kappes klaut, hat im Winter Sauerkraut“.

Der Begriff „Kappeskopp“, ein anderes Wort für Dummkopf öder auch Döskopp, hört man in Radevormwald immer noch häufig. Mittlerweile wird der Begriff aber oft spaßig, auch unter Freunden verwendet. Hans-Joachim Harnischmacher ist als Deutscher im Ausland schon oft als „Kraut“ bezeichnet worden. „Die Deutschen sind, besonders in England, die Krauts. Diese Bezeichnung stammt aus dem ersten Weltkrieg, als die deutschen Soldaten immer Sauerkraut gegessen haben und auch andere Länder anfingen Fässer voll Sauerkraut für ihre Soldaten bereit zu halten. Sauerkraut hat vor Mangelernährung geschützt“, sagt der Radevormwald.

 Hans-Joachim Harnischmacher ist ein Rader Urgestein.

Hans-Joachim Harnischmacher ist ein Rader Urgestein.

Foto: Flora Treiber

Ihm ist es wichtig Anekdoten wie diese weiterzuerzählen und zu teilen, denn Rader Platt und historische Rezepte und Traditionen geraten immer weiter in Vergessenheit. „Kinder und Jugendliche sollten mehr mit diesen Begriffen und Geschichten zu tun haben, damit sie auch alte Begriffe aus ihrer Heimat kennen.“ Hans-Joachim Harnischmacher meint es deswegen gut, wenn er den alten Spruch zitiert: „Iss’ Kappes, du Lappes!“

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