Radevormwald Von Kirchenzeugnis bis Sendgericht

Radevormwald · Im 17. und 18. Jahrhundert war das Verhältnis von Kirche und Kommune in Radevormwald komplex. Wolfgang Motte gab bei seinem Vortrag einen Einblick in das damalige Stadtleben.

Sorgsam recherchierte Vorträge sind für den Rader Geschichtsverein unerlässlich und wichtiges Element des Jahresprogramms. Nach dem offiziellen Teil der Mitgliederversammlung am Freitag trat Wolfgang Motte ans Rednerpult, um über die örtlichen Kirchengemeinden im 17. und 18. Jahrhundert zu sprechen. Die Überschrift seines Vortrages "Landesherr - Amtmann - Magistrat" gab einen ersten Blick auf das Zusammenspiel von Kirche und Kommune in den frühen Jahren Radevormwalds preis.

"Aufgaben, die wir heute im Rathaus erledigen, lagen damals oft im Zuständigkeitsbereich der Kirche. Damals gab es nur eine Gemeinde, die reformierte, in Radevormwald", sagte Motte. Ob Standesamt oder Schul- und Jugendamt, all diese Ämter gab es damals noch nicht. Zumindest nicht im kommunalen Sinne. Die Kirche führte Buch über Trauungen, kümmerte sich um die Kinder und Jugend der Gemeinde und erledigte außerdem Aufgaben, die heute im städtischen Einwohnermeldeamt abgearbeitet werden. "Wenn Bürger die Stadt verließen, nahmen sie ein Kirchenzeugnis mit, um sich damit bei anderen Gemeinden vorzustellen. Ohne Kirchenzeugnis war ein Umzug schwer möglich", erklärte Wolfgang Motte. Neben den Instanzen der reformierten Gemeinde wurde das Leben in Radevormwald durch den Magistrat bestimmt. Der habe sich allerdings stets im Schatten der Kirche bewegt.

Um kleine Streitigkeiten inner- und außerhalb der Stadtmauern kümmerte sich das Sendgericht, das im 17. Jahrhundert in der Kirche tagte. Dank ausgiebiger Recherche weiß Wolfgang Motte auch, was die Bürger damals zornig gemacht hat. "Nachts wurden immer wieder Steine geworfen. Dabei gingen so manche Scheiben zu Bruch. Dieses Verhalten wurde im Sendgericht gerügt." Der damals einzige Kirchturm in Radevormwald war wichtiges Kommunikationsmittel für die Gesellschaft und damit Teil der Öffentlichkeit. Das Glockengeläut verkündete Freude und Leid und warnte mit starken Klängen vor Gefahren. "Während die Glocken läuteten, wurde weder gekauft noch verkauft", sagte Motte. Mit diesen und vielen weiteren Beispielen, gab er einen interessanten Einblick in das Stadtleben zu jener Zeit.

Den nächsten Vortrag im Auftrag des Bergischen Geschichtsvereins wird Professor Martin Ohst am 24. März zu der Frage "Warum feiern wir Luther?" halten. Dörte Hofschen referiert am 28. April über Hilde Hahne. Die Radevormwalder Bürgerin, die 1894 geboren wurde, fiel dem nationalsozialistischen Euthanasie-Verbrechen zum Opfer. An sie wird in Radevormwald bereits mit einem der Stolpersteine erinnert, die 2016 verlegt wurden. Insgesamt organisiert der Geschichtsverein dieses Jahr sechs Vorträge, die neue Erkenntnisse über die Historie der Stadt auf der Höhe und das Bergische Land hervorbringen. "Unsere Vorträge sind wegweisend. Neben diesen Veranstaltungen werden wir aber auch an neuen Publikationen arbeiten", kündigte Hans Golombek, Vorsitzender der Rader Abteilung, an.

(trei)
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