Heimatverein Radevormwald Führung zu Zeugen des Brandes von 1802

Radevormwald · Bernd Klüting vom Heimat- und Verkehrsverein führte 18 Teilnehmer durch die Radevormwalder Innenstadt. In den gut zwei Stunden machte die Gruppe an einstigen Wohn- und Arbeitsstätten von historischen Persönlichkeiten Station.

 Bernd Klüting (rechts) startete seine Stadtführung am Markt. Nach gut zwei Stunden endete der Rundgang durch die Innenstadt für die Teilnehmer bei Waffeln und Kaffee im Heimatmuseum.

Bernd Klüting (rechts) startete seine Stadtführung am Markt. Nach gut zwei Stunden endete der Rundgang durch die Innenstadt für die Teilnehmer bei Waffeln und Kaffee im Heimatmuseum.

Foto: Stephan Singer

Bis heute ist es weder bewiesen noch konnten Wissenschaftler eine abschließende Erklärung herbeiführen. Fakt ist: Der Großbrand von 1802 vernichtete das damalige Dorf Radevormwald, das sich im Wesentlichen nur durch die umrahmende Stadtmauer von anderen Dörfern im Bergischen unterschied, fast vollständig. Damit stellt das Feuer, das seine vernichtende Kraft in lediglich gut zwei Stunden entfaltete, eine Zäsur in der Stadtgeschichte Radevormwalds dar. Vermutungen gehen davon aus, dass der Brand im Haus Funke (in diesem Fall hat der Name eine ironische Komponente), wo Bier gebraut wurde, seinen Ursprung nahm. Bei seiner Stadtführung mit 18 Teilnehmern rückte Bernd Klüting vom Heimat- und Verkehrsverein (HVV) Radevormwald historische Persönlichkeiten in den Fokus, die zur Zeit des Brandes in Radevormwald lebten.

Klüting zitierte beispielsweise aus den Aufzeichnungen von Bernhard Rocholl. Der Kaufmann und Kupferschläger lebte in der Zeit des Stadtbrandes an der heutigen Kaiserstraße 104 und schrieb seine Eindrücke nach dem Feuer nieder – ein komplettes Vermögen sei verloren. Den Schaden bezifferte Rocholl mit 1000 Reichstalern für das abgebrannte Haus und 540 für das darin befindliche Material. „Wir erfahren aus den Unterlagen, dass Rocholl seine Haus mit 800 Talern versichert hatte – er sah sich aber einer angesichts der Vielzahl der Schäden einer überforderten Versicherung gegenüber. Die 160 Taler als Hilfe von der Regierung waren ein Tropfen auf den heißen Stein“, erläuterte Bernd Klüting. Bis zum Sommer 1803 lebte Rocholl mit seiner Familie auf seinem vom Feuer verwüsteten Grundstück in einer Strohhütte, um mehr schlecht als recht dem Winter zu trotzen. „Nach dem Brand wurden die Stadtmauer und -tore abgerissen, die Bruchsteine unter anderem für neue Fundamente genutzt“, berichtete Bernd Klüting: „Wie andere auch erhielt Bernhard Rocholl dann ein Ersatzgrundstück auf dem zugeschütteten Stadtgraben.“ Der Grund: Beim Wiederaufbau wurden vorher verwinkelte und kurvige Gassen in „wie mit dem Lineal gezogene“ (Klüting) Straßen verwandelt, wodurch zuvor private Grundstücke verschwanden.

„Die heutige Grabenstraße verläuft nicht genau auf dem ehemaligen Stadtgraben“, betonte Bernd Klüting bei der Stadtführung. An der Ecke Graben-/Südstraße schwelgte Liane Kormannshaus in Erinnerungen. Sie stammt aus einer Uhrmacherfamilie, denen an der Kaiserstraße zwei Häuser gehörten. „Ich kann mich an den Garten meiner Oma erinnern, der war wunderschön. Er reichte bis an die Grabenstraße heran. Unsere Gebäude sind längst verkauft, nachdem das Geschäft mit der vierten Generation endete“, sagte Liane Kormannshaus, die auch dem HVV-Vorstand angehört: „Sicherlich bin ich alteingesessene Radevormwalderin. Trotzdem nehme ich gerne an den Stadtführungen teil, weil ich immer noch etwas Neues zu hören bekomme.“

Station machte die Stadtführung ebenso an der Ecke Ost-/Kottenstraße. Hier erinnerte Bernd Klüting an Johann Heinrich Jung-Stilling, der 1740 im Siegerland zur Welt kam und 1817 in Karlsruhe verstarb. Jung-Stilling arbeitete im Haus Kottenstraße 1 als Schneidergeselle bei Johann Jakob Becker („Meister Isaak“). Radevormwalder entdeckten Jung-Stillings Intelligenz und förderten ihn. Seine Karriere führte vom Hauslehrer über seine Arbeit als Augenarzt zum Professortitel. „Seine Operationen des Grauen Stars brachten Jung-Stilling beträchtlichen Ruhm ein – zu Reichtum kam er jedoch nie“, erinnerte Bernd Klüting.

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