Schulen in Radevormwald Jugendliche sollen mit Boxen die Wut gesund abreagieren

Radevormwald · Mit Boxtrainings an Schulen will die Jugendhilfe Radevormwald das Gewaltpotenzial unter Jugendlichen in der Stadt mindern. Das mag paradox klingen, zeigt aber in der Praxis gute Ergebnisse, sagt Trainer Daniel Spangenberg.

So lernen die Jugendlichen, ihre Agressionen in den Griff zu bekommen – hier Luis mit Trainer Daniel Spangenberg.

So lernen die Jugendlichen, ihre Agressionen in den Griff zu bekommen – hier Luis mit Trainer Daniel Spangenberg.

Foto: Jürgen Moll

Problembezirke mit einer hohen Kriminalitätsrate sind für Daniel Spangenberg keine fremden Orte. Der Oberhausener ist regelmäßig als Boxtrainer und Coach im Ruhrgebiet unterwegs, beispielsweise im berüchtigten Stadtteil Duisburg-Marxloh, um Jugendliche ohne Perspektive von der Straße zu holen und ihnen durch das Boxtraining neue Wege abseits von Drogen und Kriminalität aufzuzeigen.

„Boxen fördert eine gesunde Ehre, es lehrt Disziplin“, sagt der 39-Jährige mit Überzeugung. Im Ring könne das Boxen Medaillen bringen. „Auf der Straße gibt es keine Medaillen, da gibt es nur Ärger.“ Um Jugendliche davor zu bewahren, setzt sich Spangenberg mit seinem Boxtraining seit nunmehr sieben Jahren ehrenamtlich für Gewaltprävention an Schulen ein.

Ein Training, das diese Woche erstmals auch in Radevormald angeboten wurde. Schüler der Armin-Maiwald-Schule und des Theodor-Heuss-Gymnasiums waren die ersten, die nun im Zuge eines Gewaltpräventionsprogramms der Jugendgerichtshilfe, in den Genuss eines solchen Schnuppertrainings mit Boxer Daniel Spangenberg kamen.

Für Norvin (14) war es nicht das erste Mal in Boxhandschuhen. „Ich boxe schon mal privat und finde das gut, um sich auszupowern.“ Aggressionsprobleme habe er nicht. Luis (14) spielt eher Fußball, um überschüssige Energie herauszulassen. Aber das Boxtraining könnte er sich künftig auch gut vorstellen. „Es macht Spaß und ist echt anstrengend.“

Die Hand-Fuß-Koordination falle ihm als Fußballer leicht. Andere in der Halle taten sich damit zu Beginn aber noch sichtlich schwerer. Buchstäblich die Handschuhe in die Ecke werfen, wollte aber offenkundig niemand. Mit einem voreingestellten Metronom tippelten die Schüler im Takt mit den Füßen nach vorne, hinten und seitlich und schwangen dabei immer wieder die Faust nach vorne. Die Anstrengung war den Mädchen und Jungs anzusehen: Schweißperlen tropften ihnen an den Schläfen herunter, das Gesicht nahm eine immer rötlichere Farbe an.

Das Lachen verging ihnen dabei aber nie, vor allem nicht, wenn sich Spangenberg selbst als Sparringspartner zur Verfügung stellte und die Schüler motivierte, sich an ihn mal richtig auszupowern. Zunächst zaghaft, dann aber immer kräftiger entwickelten sich die Schläge. „Eine Box-AG an der Schule wäre schon richtig cool“, befand Luis. So schlimm wie in Großstädten oder Problembezirken sei es in Radevormwald mit Gewalt unter Jugendlichen noch nicht, sagt Kevin Cords von der Jugendgerichtshilfe. Aber für die Größe der Stadt sei es schon ein zunehmendes Problem. Vor allem die rechte Gewalt nehme deutlich zu. Deswegen ist ihm das Boxtraining ein besonderes Anliegen. Wenn die Jugendlichen durch das Boxtraining nämlich lernen, ihre Wut und Energie vernünftig zu kanalisieren, könnten sie vor vielen Problemen bewahrt werden, die sonst – früher oder später – auf Cords Schreibtisch landen. „Unsere Idee ist es, das Angebot an allen Schulen anzubieten.“

Dass ein gutes Boxtraining Jugendliche in richtige Bahnen lenken kann, hat Daniel Spangenberg selbst erlebt. „Ich habe es geschafft, einen Jungen einer bulgarischen Einwandererfamilie aus armen Verhältnissen aus einer Clique herauszuholen. Die ganze Clique ist im Knast gelandet, nur er hat einen anderen Weg gefunden und macht jetzt eine Ausbildung. Darauf bin ich sehr stolz.“ Denn auch wenn er sicherlich nicht jeden mit dem Boxtraining erreichen kann, für viele ist es doch der rettende Strohhalm, nachdem sie im letzten Moment greifen.

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