Ukrainische Flüchtlinge in Radevormwald „Vor unserem Haus standen russische Panzer“

Radevormwald · Artem floh mit seiner Familie vor den Massakern in der Kiewer Vorstadt Butscha und strandete vor knapp vier Wochen in Radevormwald. Hier hilft der 17-jährige Ukrainer dank seiner guten Sprachkenntnisse als Übersetzer und packt mit seiner Mutter mit an, um anderen geflohenen Landsleuten zu helfen.

 Kevin Cords (l.) mit Natalia, Dima und Artem vor dem Kreisel mit den ukrainischen Fahnen. Die Familie lebt seit vier Wochen in Radevormwald.

Kevin Cords (l.) mit Natalia, Dima und Artem vor dem Kreisel mit den ukrainischen Fahnen. Die Familie lebt seit vier Wochen in Radevormwald.

Foto: Jürgen Moll

Nur einen Tag bevor sich die schlimmen Kriegsverbrechen in der ukrainischen Stadt Butscha, knapp 25 Kilometer nordwestlich von Kiew ereigneten, floh der 17-jährige Artem mit seinem kleinen Bruder Dima (11) und Mutter Natalia (50) aus der Heimat. Es war der 9. März, erinnert sich Artem, einen Tag nach seinem 17. Geburtstag. Zwei Wochen hatte sich die kleine Familie im Keller des Hauses versteckt, versorgte sich mit Wasser aus einem benachbarten See und Feuerholz aus dem Wald, aus dem schließlich die russischen Soldaten mit ihren Panzern rollten, um wahllos Zivilisten anzugreifen. „Die haben ganz normale Leute getötet“, sagt Artem emotionslos. Wenn er redet, wirkt er mit seiner gefassten Art und seiner tiefen Stimme wesentlich Erwachsener, als er sein sollte. Er ist der Einzige in der Familie, der Deutsch spricht und scheint die Verantwortung für seine Mutter und seinen Bruder übernommen zu haben. Der Vater, er starb schon lange vor dem Krieg. Vor drei Jahren, auf Anraten seiner Mutter, belegte Artem das Fach in der Schule. „Sie meinte, es könnte mir irgendwann helfen, um in Deutschland studieren zu können.“ Dass sein Deutsch unter solchen Bedingungen jetzt zum Einsatz kommen würde – lange Zeit unvorstellbar.