Tiermedizin in Radevormwald Auch an Heiligabend ist der Tierarzt gefragt

Radevormwald · Bei Notfällen müssen Veterinäre auch an Feiertagen ausrücken. Allerdings erleben Dr. Kai Jessen und seine Kollegen das heute seltener.

 Szene aus der TV-Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“ mit Peter Davison als Tristan Farnon (Mitte) und Christopher Timothy als James Herriot (rechts), die das Bild des Tierarzt-Alltags auch in Deutschland stark geprägt hat. Allerdings spielen die Geschichten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg – seither hat sich das Berufsbild schon sehr geändert.

Szene aus der TV-Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“ mit Peter Davison als Tristan Farnon (Mitte) und Christopher Timothy als James Herriot (rechts), die das Bild des Tierarzt-Alltags auch in Deutschland stark geprägt hat. Allerdings spielen die Geschichten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg – seither hat sich das Berufsbild schon sehr geändert.

Foto: dpa

Während andere Menschen unterm Weihnachtsbaum sitzen, zieht es Kai Jessen in die Viehställe. An Heiligabend wird der Tierarzt losziehen und Pferde impfen. „Gegen Influenza“, sagt Jessen und macht den Eindruck, dass er keineswegs ungern am 24. Dezember ausrückt. „Dann ist es schön ruhig.“ Dass Tierärzte auch an Feiertagen zu den unmöglichsten Zeiten raus müssen, weil ein Kalb oder Fohlen geboren wird, kommt immer noch vor – allerdings nicht mehr so häufig. „Früher gab es das öfter“, sagt Kai Jessen. „Aber inzwischen versorgen die Landwirte die Tiere bei der Geburt meist selbst. Schließlich gibt es in den Familien seit Generationen Erfahrung. Hinzu kommt der Kostendruck.“ Doch wenn es Komplikationen gibt, ist der Veterinär immer noch gefragt.

Auch wenn kleinere Tiere wie Hunde gebären, ist die Hilfe des Tierarztes häufig vonnöten. „Das gilt zum Beispiel bei einer so genannten ,Fehlbedeckung’“, erläutert der Fachmann. Die liegt vor, wenn eine eher kleine Hundedame von dem Rüden einer weitaus größeren Hunderasse geschwängert wurde. Dann kann es für die zierliche Hündin bei der Geburt heikel werden. Ein Kaiserschnitt ist oft notwendig. „Auch wenn eine Einlingsgeburt vorliegt, kann das passieren.“

 Gruppenbild mit Hündin Lotta: Dr. Andrea Jessen und Ehemann Dr. Kai Jessen (Mitte) mit Teilhaber Stefan Kempe.

Gruppenbild mit Hündin Lotta: Dr. Andrea Jessen und Ehemann Dr. Kai Jessen (Mitte) mit Teilhaber Stefan Kempe.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Bei der Geburt von Kälbern komme es regelmäßig vor, dass „der Kopf wegklappt“. In einem solchem Fall kann der Veterinär mit so genannten Augenhaken arbeiten, die in den Augenwinkeln des Kalbs befestigt werden. „Das hört sich schlimm an, aber das geht ganz gut und schädigt das Tier nicht.“

Das Bild vom Tierarzt, der auch nachts bei Wind und Wetter mit dem Köfferchen in die Ställe eilt, ist für viele Menschen geprägt worden durch Film und Fernsehen, vor allem durch die britische TV-Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“ (im Original „All creatures great and small“). Allerdings beruht diese Serie nicht auf purer Fantasie, sondern geht zurück auf die Bücher des Tierarztes Alf Wight, der unter dem Pseudonym James Herriot seine Erlebnisse zu Papier brachte. „Ich habe sogar einmal einen Verwandten von James Herriot kennengelernt“, erinnert sich Kai Jessen. „Das war bei einer Veranstaltung der Wirtschaftsgenossenschaft Deutscher Tierärzte.“

Freilich hat sich die Tiermedizin seit den Zeiten James Herriots stark verändert. „Für Rinder gibt heute Spezialisten, etwa eine Praxis im Much, deren Ärzte dann auch bundesweit tätig sind“, berichtet Jessen. Eher noch zählen Pferdehalter zu den Kunden der Radevormwalder Praxis. Generell sei der Anteil der Kleintiere unter den vierbeinigen Patienten in den vergangenen Jahren gestiegen. Früher sei das Zahlenverhältnis der Großtiere zu den Kleintieren etwa 50:50 gewesen, doch heute stehen Hund, Katze und Nagetiere in der Liste weit vorne.

Und doch: Manches hat sich trotz der Veränderungen auf dem Lande in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert. „Es sind immer noch Pferde außerhalb des Reitsports im Einsatz, zum Beispiel Kaltblüter“, sagt der Tierarzt. Diese massigen Pferde, beispielsweise die „Belgier“ waren noch vor 100 Jahren wichtige Zugtiere in der Landwirtschaft. „Sie werden auch in unserer Gegend noch als so genannte Rückepferde in der Holzwirtschaft eingesetzt – und auch als Kutschpferde.“ In der Tierarztpraxis an der Telegrafenstraße sind in der Regel Dr. Andrea Jessen und der neue Teilhaber Stefan Kempe vor Ort, während Dr. Kai Jessen öfters auf Außeneinsätzen unterwegs ist. Der heute 63-Jährige stammt aus Norddeutschland und fing zunächst mit dem Studium der Humanmedizin an. „Einige Fächer zu Beginn der Ausbildung sind ja identisch“, sagt er. Dann jedoch hospitierte er einige Zeit in einer Tierarztpraxis in Solingen. „Ich dachte mir: Das könnte dir gefallen. Und ich habe den Entschluss nie bereut.“

Stefan Kempe, der Anfang des Jahres zur Praxis gestoßen ist, kennt sich von Kindesbeinen an mit großen Tieren aus: „Ich bin auf einem Hof bei Lennep aufgewachsen“, sagt er. Und in seiner Jugend habe er Dr. Kai Jessen auch öfters in Aktion erlebt.

Werden in der Praxis auch einmal ungewöhnliche Tiere betreut? „Also, Lamas und Alpakas sind fast schon normal“, sagt Jessen. Für Tiere wie Reptilien, Vogelspinnen oder andere Exoten seien allerdings eher Spezialisten zuständig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort