Direktkandidat bei der Landtagswahl für Remscheid / Radevormwald „Shisha-Bars zu durchsuchen, reicht nicht“

Radevormwald/Remscheid · SPD-Landtagskandidat Sven Wolf spricht unter anderem über das Image von Herbert Reul, den Mangel an Sozialwohnungen in Radevormwald und die Perspektiven von Remscheid.

 Sven Wolf tritt erneut als Landtagsabgeordneter für die SPD an

Sven Wolf tritt erneut als Landtagsabgeordneter für die SPD an

Foto: Thomas Wunsch

Es ist noch nicht allzu lange her, da hatten Beobachter für die Sozialdemokraten im Bund und in den Ländern nur noch wenig Hoffnung. „Man konnte öfters hören: Das war‘s jetzt für die SPD“, erinnert sich Sven Wolf.

Inzwischen stellt die SPD den Bundeskanzler, hat jüngst die CDU bei der Landtagswahl im Saarland deklassiert und kann sich nun auch vor der Landtagswahl in NRW, bei der Wolf als Kandidat für Remscheid und Radevormwald antritt, gute Chancen ausrechnen – nicht zuletzt, weil mehreren Kabinettsmitgliedern unter CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst die Mallorca-Affäre im Nacken sitzt.

Und so wirkt der SPD-Landtagsabgeordnete beim Gespräch an diesem Morgen entspannt, zumindest was die kommende Wahl angeht. Ansonsten bekommt Sven Wolf von den Bürgerinnen und Bürgern auch regelmäßig Fragen zu den großen Krisen dieser Zeit gestellt, vor allem zum Ukraine-Krieg und zur Corona-Pandemie. „Ich habe festgestellt, dass gerade bei älteren Menschen, die noch den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit erlebt haben, jetzt viele schlimme Erinnerungen wieder auftauchen“, sagt er.

Doch bei der Landtagswahl spielen die regionalen Themen naturgemäß eine größere Rolle. Zum Beispiel die Gesundheitsversorgung vor Ort. Die Pandemie habe gezeigt, dass das Gesundheitssystem zwar gut funktioniere, „aber dass der NRW-Gesundheitsminister erwägt, weitere Krankenhäuser schließen zu lassen, dass kann ich nicht verstehen“, sagt Wolf.

Auch das Krankenhaus in Lennep, in dem Sven Wolf 1976 geboren wurde, ist inzwischen verschwunden. Aufgewachsen ist der SPD-Mann im Remscheider Stadtteil Vieringhausen, machte an der EMA (die heute EMMA heißt) Abitur. Nach dem Zivildienst studierte er in Köln Jura und wurde Rechtsanwalt.

Politisch hat sich Sven Wolf schon früh in der SPD engagiert, war zeitweise das jüngste Mitglied im Remscheider Rat und ist heute Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion in der Seestadt.

Zuletzt gab es aus Remscheid wenig Erfreuliches zur Stadtentwicklung zu hören. Das DOC-Projekt scheiterte krachend, und die Rheinische Fachhochschule wird sich ebenfalls aus der Stadt zurückziehen. Remscheid – eine Stadt im Niedergang? Wolf hält dagegen: „Das sehe ich nicht so.“ Sicher, das DOC sei gescheitert, aber das bedeute nicht, dass auf den Flächen nicht ein anderes attraktives Projekt starten könne. „Wir sind in Remscheid kreativ“, sagt der SPD-Fraktionschef. „Auch innerhalb unserer Fraktion haben wir Ideen.“ Und da die Stadt als Eigentümerin der Flächen Herrin des Geschehens sei, sieht Wolf gute Chancen, das Potenzial für den Standort Lennep doch noch auszuschöpfen.

Auf die Frage, ob die Bürger in Radevormwald andere Themen im Wahlkampf ansprechen als die Remscheider, berichtet der Politiker aus seiner Erfahrung: „Ich stelle da viele Gemeinsamkeiten fest.“ In Radevormwald gebe es natürlich Herausforderungen beim Thema Wohnen, die Remscheid mit der eigegnen Wohnungsbaugenossenschaft GEWAG nicht habe. Ein großer Teil der Wohnungen mit Sozialbindung ist in Radevormwald mit dem Jahreswechsel weggefallen. Auch sonst gab es regelmäßig Beschwerden über den Zustand bestimmter Immobilien. Sven Wolf hat sich in Radevormwald im Wohngebiet Auf der Brede ein Bild gemacht, mit Mietern gesprochen und sich den Zustand einiger Wohnungen angesehen. „Ich habe vor, auch die Südstadt in Radevormwald zu besuchen, um mir einen Eindruck zu verschaffen“, sagt er. Und er stellt im Falle eines SPD-Sieges bei der Landtagswahl die Gründung einer landesweiten Wohnungsgesellschaft in Aussicht, die den Bau erschwinglichen Wohnbaus forciert.

Der aussichtsreichste Mitbewerber Wolfs bei der Wahl in Remscheid und Radevormwald ist der CDU-Kandidat Jens-Peter Nettekoven. Jüngst war der Christdemokrat bei einem Termin im Parc de Châteaubriant und hatte als Gast NRW-Innenminister Herbert Reul mitgebracht. Reul gilt als eines der Zugpferde im CDU-Wahlkampf, seine Erfolge beim Kampf gegen Clan-Kriminalität werden stark betont. Im Bergischen kann der Mann aus Leichlingen zudem mit regionaler Verwurzelung punkten. Sven Wolf hinterfragt jedoch Reuls Image als harter Landes-Sheriff. „Beim Kampf gegen organisierte Kriminalität braucht man einen langen Atem, und mir fehlt da bei ihm ein Gesamtkonzept“, sagt er. Beispielsweise müsste man viel mehr an die Geldquellen der Clans gehen, ihnen da den Hahn zudrehen. „Da reicht es nicht, mal eine Shisha-Bar zu durchsuchen.“

Auch abseits krimineller Strukturen ist das gesellschaftliche Klima rauer geworden, weiß der Politiker. Im Wahlkampf sei das auch zu spüren. „In den sozialen Medien ist es ja fast selbstverständlich geworden, Menschen zu beleidigen.“ Die Distanz zum Betroffenen spiele eine Rolle. „In den Bürgersprechstunden erlebe ich solche Aggressivität kaum.“ Beim Wahlkampfauftakt der SPD im Essen wurde auch Kanzler Scholz mit lautstarkem Protest von „Querdenkern“ konfrontiert. „Unterschiedliche Meinungen sind ok“, erklärt Wolf. „Aber es geht nicht, dass gegen unsere Demokratie Stimmung gemacht wird.“

Die Corona-Pandemie, in der die „Querdenker“-Bewegung gewachsen ist, habe freilich Kindergärten und Schulen stark belastet. „Da muss viel aufgeholt werden“, sagt Wolf und formuliert als Schlagwort: „Die Schule soll wieder zum Sprungbrett werden.“ Viel müsse angepackt werden, beispielsweise fehle es an Lehrkräften.

Und noch ein Punkt, der vor allem die Menschen in Oberberg bewegt: der ausgedünnte Nahverkehr. Auch hier, sagt Sven Wolf, wolle die SPD im Lande einen Neustart schaffen, mit einer anderen Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. „Auch auf digitalem Wege kann man neue Möglichkeiten schaffen, etwa das Konzept eines ,Bus on Demand‘.“ Bis dies Realität wird, ist Wolf aber froh, dass es in Radevormwald den Bürgerbus gibt. „Da wird wirklich Beeindruckendes geleistet. Und das sage ich nicht, weil der Vorsitzende Eberhard Wolff ein Namensvetter von mir ist.“

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