Historie von Radevormwald Iris Kausemann erklärt die „deutsche Schrift“

Radevormwald · Die Stadtarchivarin Iris Kausemann schreibt und liest fließend Kurrent. Die alten Buchstaben sind durchaus keine tote Schrift. Noch immer werden sie beispielsweise in privaten Briefen verwendet.

 Iris Kausemann zeigt die Geschichte eines Täubchen von 1843. Die Schreibschrift ist in Kurrent notiert, auch als deutsche Schrift bekannt.

Iris Kausemann zeigt die Geschichte eines Täubchen von 1843. Die Schreibschrift ist in Kurrent notiert, auch als deutsche Schrift bekannt.

Foto: Jürgen Moll

Für Iris Kausemann ist die Kurrent, auch Deutsche Schreibschrift genannt, keine tote Schrift. Für die Stadtarchivarin von Radevormwald bedeutet die Schreibschrift nicht nur einen Blick zurück, sondern auch Aufrechterhaltung einer langen Tradition. Sie begeistert sich seit ihrer Grundschulzeit für die Kurrent, denn in der vierten Klasse durfte sie mit anderen ausgewählten Mitschülern die Schrift lernen.

„In den Unterricht Schönschreiben zu kommen war damals eine Ehre. Der Lehrer Herr Hilmmer an der evangelischen Grundschule in Wipperfürth hat mir die Schrift beigebracht“, erinnert sich Iris Kausemann. Als sie 1978 mit ihrer Oma über die Kurrentschrift ins Gespräch kam, wurde ihre Leidenschaft entfacht. „Ich konnte die alten Briefe lesen, die mir meine Oma gezeigt hat und habe dann konsequent weitergeschrieben und geübt. In meinem Beruf hat mir diese Fähigkeit weitergeholfen. Ich kann historische Dokumente schnell lesen und transkribieren“, sagt die Stadtarchivarin.

Für sie ist die Kurrentschrift also selbstverständlich und ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit. Ihr Wissen hat Iris Kausemann in den vergangenen Jahren in einem Lesezirkel vermittelt, der sich mit der alten Schrift auseinandersetzt. Auch für den Ferienspaß vermitteln Iris Kausemann und Maskottchen Bertie, eine Taube, die Grundkenntnisse der Deutschen Schrift. Zu dem Maskottchen ist das Stadtarchiv durch einen besonderen Fund gekommen. „Ich habe in einer alten Akte die Geschichte ‚Das Täubchen‘ von 1843 gefunden. Mit diesem Schriftstück, das besonders dekorativ ist, arbeite ich oft“, sagt Iris Kausemann.

Das Interesse an der Deutschen Schrift ist immer noch groß und das wird auch eine lange Zeit so bleiben. „Alle Akten bis zur NS-Zeit sind in verschiedenen Formen der Kurrentschrift geschrieben. Bisher können diese Aufzeichnungen nicht von einem Computer transkribiert werden. Deswegen muss es weiterhin Menschen geben, die sich mit der Schrift auskennen.“ Die Stadtarchivarin transkribiert nicht nur historische Akten, sondern auch private Korrespondenzen, die bei ihr abgegeben werden. Für ein kleines Endgeld kann man alte Briefe oder Tagebücher im Rathaus übersetzen lassen.

Iris Kausemann vermittelt in ihrem Lesekreis, dass die Kurrent die eigentliche Deutsche Schrift ist. Viele verwechseln diese Schrift mit der Deutschen Schreibschrift, mit Sütterlin. „Die Sütterlinschrift wurde deutlich später entwickelt. In dem Lesezirkel üben wir zunächst einzelne Buchstaben und das Schreiben, denn wer eine Schrift schreiben kann, kann sich auch lesen“, sagt sie. Zu den schwierigen Buchstaben gehören unter anderem das kleine „p“ und die Unterscheidung zwischen „g“ und „e“. Auch das Auseinanderhalten von „K“ und „R“ fällt den meisten Neulingen schwer. Die Kurrentschrift zeichnet sich durch lange Haarstriche verbundene Buchstaben, Spitzen, scharfe Ecken und ovale Rundungen aus. Im deutschen Sprachraum wurde die Schrift bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts geschrieben und entwickelte sich dann zur Deutschen Schreibschrift. Sie konnte schnelle, fließender und auch flüchtiger zu Papier gebracht werden. In der NS-Zeit wurde die lateinische Schreibschrift eingeführt.

Iris Kausemann freut sich darauf, wenn sich der Lesezirkel nach der Corona-Pandemie wieder treffen und sich der Kurrentschrift widmen kann. „Diese Schrift ist nicht tot. Sie lebt durch einige Menschen weiter, und natürlich durch die vielen historischen Akten, aber auch in Poesiealben oder privaten Briefen“, sagt die Archivarin.

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