Neuer Linienbus im Oberbergischen unterwegs Rollende Stellenanzeige sucht Auszubildende

Radevormwald · Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft geht neue Wege, um in Zeiten von Fachkräftemangel mehr Azubis zu gewinnen. Ein Bus soll nun Werbung machen.

 Barbara Herbst, die neuen Auszubildenden Amelie Kewel und Mila Montag, Geschäftsführer Thorsten Genske und Sandra Kohlgräber (v.l.).

Barbara Herbst, die neuen Auszubildenden Amelie Kewel und Mila Montag, Geschäftsführer Thorsten Genske und Sandra Kohlgräber (v.l.).

Foto: Cristina Segovia Buendia

Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss der Prophet eben zum Berg: Dieses Sprichwort hat sich Barbara Herbst vom Bundesverband Mittelständische Wirtschaft im Oberbergischen Kreis offenkundig zu Herzen genommen und vier Unternehmen der Region für ein außergewöhnliches Projekt gewinnen können, um ihre Betriebe bei potenziellen Auszubildenden bekannter zu machen. „Gerade junge Menschen sind nur schwer über die klassischen Print-Medien zu erreichen“, sagt die Verbandsbeauftragte. „Also bringen wir die Anzeigen jetzt dahin, wo die jungen Leute, Eltern und Lehrer anzutreffen sind, nämlich im öffentlichen Straßenverkehr und an den Haltestellen des ÖPNV“. Der Bus sei ein gutes Werbemittel für den Mittelstand.

Beim Projekt dabei sind das Radevormwalder Technologieunternehmen Schleuniger, die Bayer Gastronomie Große Ledder in Dabringhausn, Eldakom Radermacher aus Wipperfürth und Memotech aus Wermelskirchen. Gemeinsam nutzen sie nun einen Linienbus als rollende Stellenanzeige. Der Bus der OVAG, an beiden Seiten beklebt mit Werbung der vier Unternehmen, wird in den kommenden drei Jahren täglich im ÖPNV-Netz des Oberbergischen Kreises Nord, also zwischen Marienheide, Wipperfürth, Wermelskirchen und Radevormwald unterwegs sein und für einen Ausbildungsplatz in den vier Betrieben werben, verrät Herbst bei der Kick-Off-Veranstaltung, dem Startschuss des Projekts am Donnerstagnachmittag. Eine besondere Linie erhalte der „rote BVMW-Bus“ nicht. So sei das befahrene Gebiet größer.

Die Idee für den roten BVMW-Bus ist nicht neu. Das Unternehmen „SD VerkehrsMedien Thüringen“, Spezialist für mobile Werbung, erzählt Herbst, hätte dieses Projekt entwickelt und schon Erfolge erzielt. Zehn andere Verbände nutzen bereits die rollende Stellenanzeige und haben dadurch an Reichweite gewonnen, was wiederum die Anzahl der Bewerber erhöht habe. Das wünschen sich auch die Unternehmen hier vor Ort, denn der Fachkräftemangel sei akut, berichten sie. „Bundesweit fehlen der Industrie und dem Handwerk etwa 60.000 Azubis“, sagt Herbst.

Auch im Oberbergischen sei dieser Trend bemerkbar: Die Bayer Gastronomie etwa, die zum 1. August ihre neuen Auszubildenden begrüßte, konnte längst nicht alle Stellen besetzen, sagt Personal- und Ausbildungsleiterin Nannette Lührs. Nachbesetzen ließen sich diese Stellen nun nicht mehr. „Vergangene Woche haben wir unsere neuen Azubis begrüßt. Sie erhielten eine Hygiene- und Sicherheitsunterweisung. Nachzügler aufzunehmen, ist bei uns für dieses Ausbildungsjahr nicht mehr möglich.“ Unbesetzte Stellen bedeuten für das Unternehmen fehlender Nachwuchs, erklärt Roland Schütz, Betriebsleiter des Seminar- und Tagungshotels „Große Ledder“ in Dabringhausen. „Jetzt fällt es vielleicht nicht sonderlich auf, aber später bedeutet jeder nicht besetzte Ausbildungsplatz eine fehlende Fachkraft.“ In der Gastronomie sei es eigentlich normal, nach der Ausbildung für ein Jahr im Unternehmen zu bleiben und sich dann in anderen Betrieben umzuschauen. „Heute sind allerdings die Übernahmechancen deutlich größer als noch vor einigen Jahren“, sagt Lührs. Wurden Azubis früher nach der Ausbildung häufig freigesetzt, weil über den Bedarf ausgebildet wurde, so ist jeder Betrieb froh, wenn die ausgebildete Fachkraft lange dem Betrieb erhalten bleibt.

Auch das Radevormwalder Technologieunternehmen Schleuniger verzeichnet von Jahr zu Jahr größere Schwierigkeiten, ihre vier Ausbildungsplätze – zwei für Industriekaufleute, zwei für Mechatroniker – zu besetzen. Ein Jahr im Voraus beginnt die Akquise. Für dieses Jahr habe es gereicht, „doch durch Corona sind es deutlich weniger Bewerber gewesen“, sagt Sandra Kohlgrüber, Referentin für Aus- und Weiterbildung im Unternehmen. Durch das Projekt der rollenden Stellenanzeige erhofft sie sich für das nächste Ausbildungsjahr mehr Bewerber. Auch eine weitere Zusammenarbeit mit den Projektpartnern im Zuge der Azubi-Gewinnung sei nicht ausgeschlossen. Obwohl bei Schleuniger die Ausbildungsplätze für dieses Jahr vergeben sind, „Initiativbewerbungen sind jederzeit möglich, und auch Praktika im gewerblichen Bereich können wieder absolviert werden“, sagt Kohlgrüber.

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