Kolpingsfamilie in Radevormwald Notfallseelsorger spricht über den Dienst

Radevormwald · Pfarrer Ulrich Geiler ist Koordinator der Notfallseelsorge in der Region. Die Radevormwalder Kolpingsfamilie hatte ihn zu einem Gesprächsabend eingeladen.

 Bei der Veranstaltung der Kolpingsfamilie St. Marien in Radevormwald beantwortete Pfarrer Ulrich Geiler auch Fragen der Zuhörer, die ins Caritashaus gekommen waren.

Bei der Veranstaltung der Kolpingsfamilie St. Marien in Radevormwald beantwortete Pfarrer Ulrich Geiler auch Fragen der Zuhörer, die ins Caritashaus gekommen waren.

Foto: Jürgen Moll

Es war ein spannender Termin, zu dem die Radevorwalder Kolpingsfamilie für Dienstagabend ins Caritashaus eingeladen hatte. Die Teilnehmerrunde konnte sich austauschen mit Ulrich Geiler, dem Pfarrer der Clarenbach-Gemeinde in Remscheid und Koordinator der Notfallseelsorge für Remscheid, Radevormwald, Wermelskirchen und Hückeswagen. Die Notfallseelsorge steht bereit in jenen Situationen, die Menschen sich sonst nicht ausmalen möchten.

„1996 wurde die Notfallseelsorge zunächst für Remscheid eingerichtet, später dann auf die anderen drei bergischen Städte ausgeweitet“, sagt Geiler. In diesen 26 Jahren ist die Notfallseelsorge zu insgesamt 1744 Einsätzen ausgerückt – als Begleitung für Betroffene, beim Tod eines Angehörigen durch unterschiedliche Ursachen oder beim Überbringen der Todesnachricht mit der Polizei.

Seine Aufgabe sei es, die Arbeit der etwa 40 Helfer zu koordinieren und zu unterstützen. Es habe ein Bewusstseinswandel in Bezug auf die Notfallseelsorge stattgefunden. „Man ist nicht mehr der einzelne Seelsorger, sondern Teil eines Teams der Rettungskräfte“, sagt Geiler. Dort gebe es mittlerweile Kräfte der psychosozialen Notfallversorgung für Betroffene – aber auch für die Einsatzkräfte selbst. „Ich bin einmal in der Woche bei der Berufsfeuerwehr in Remscheid – und dann ansprechbar. Es ist wichtig, dass man sich sieht, begegnet, denn nur so kommt die Rückmeldung, dass es vielleicht Gesprächsbedarf geben könnte. Und dann geht man eben eine Runde durch den Hof zusammen“, sagt Geiler.

Es gebe allerdings einen Unterschied zwischen Notfallseelsorge und einem Kriseninterventionsteam: „Wir Notfallseelsorger haben den spirituellen und geistlichen Aspekt in unserer Arbeit. Daraus ziehe ich auch meine Kraft“, sagt der Pfarrer.

Ein Zuhörer fragte, ob sich die Notfallseelsorge aufgrund von Ereignissen wie der Flut im Ahrtal verändern werde. „Das hat uns tatsächlich eiskalt erwischt. Die Folge ist, dass wir uns bundesweit aufstellen müssen. Denn wenn eine lokale Gruppe der Notfallseelsorge so etwas alleine stemmen müsste, dann wären wir schnell am Ende der Kräfte angekommen“, sagt er. Keine Notfallseelsorge alleine könne so eine Ausnahmelage stemmen. „Beim Erzbistum Köln gibt es etwa Unterstützung, solche Einsatzlagen künftig zumindest theoretisch zu planen und durchzuspielen“, sagt Geiler.

Dabei dürfe man nicht die ursprüngliche Aufgabe der Notfallseelsorge vergessen. „Wir sind für Menschen im akuten Notfall da, machen sozusagen eine Art Erstversorgung. Ich vergleiche das gerne mit dem Notarzt, der am Unfallort die Erstversorgung des Verunfallten macht und diesen dann ans Krankenhaus übergibt“, sagt Geiler.

Es gehe darum, dass Menschen auch nach der Krisensituation weiterversorgt würden. „Das muss kein kirchliches Angebot sein. Die oberste Priorität ist es, die Menschen im Akutfall zu versorgen. Dazu gehört auch, etwa mit den Angehörigen zu den Verstorbenen zu gehen, damit sie sich noch verabschieden können. Das ist von großer Bedeutung und ein sehr wichtiger Moment für die Angehörigen“, sagt Geiler.

Natürlich müsse auch der Notfallseelsorger Seelenhygiene betreiben können. „Ich habe auch meine Leute, mit denen ich darüber sprechen kann. Wenn ich etwa Bereitschaftsdienst habe, sorge ich dafür, dass ich jemanden habe, den ich auch nachts erreichen und dem ich etwas vorheulen kann.“

Wie wichtig diese akute Hilfe sei, könne man daran sehen, dass es heute noch Rettungskräfte gebe, die mit den Folgen von Einsätzen ringen, die schon Jahre zurücklägen. So berichtet etwa einer der Anwesenden von einem Feuerwehrmann, der heute um die 70 Jahre und als junger Mann beim schrecklichen Zugunglück in Radevormwald von 1971 dabeigewesen sei. „Er hat noch heute damit zu kämpfen und leidet darunter, dass er nicht hat helfen können“, sagt Geiler und ergänzt: „Es sind Sachen, die so nachhaltig bei den Einsatzkräften bleiben, weil sie ja darauf trainiert sind, zu helfen.“

Man müsse dann zusehen, diese Erlebnisse in das eigene Leben so zu integrieren, dass sie einem nicht mehr über die Bettdecke laufen würden. „Los wird man das nicht mehr. Ich habe viele Erlebnisse gehabt, an die ich mich noch immer erinnere. Aber es ist in Ordnung für mich“, sagt der Pfarrer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort