Politik in Radevormwald Eine Krisenrunde zum Jahresauftakt
Radevormwald · Erstmals veranstaltete die Radevormwalder CDU bei ihrem traditionellen Empfang im Bürgerhaus eine Podiumsdiskussion. Zu Gast war unter anderem die Europa-Abgeordnete Sabine Verheyen.

Neujahrsempfang der CDU Radevormwald 2023
Es war ein Neujahrsempfang unter besonderen Vorzeichen. Zum einen konnte der CDU-Stadtverband nach zwei Jahren erstmals wieder zu dem gesellschaftlichen Ereignis im Bürgerhaus einladen, zum anderen erprobten die Veranstalter ein neues Konzept: eine Podiumsdiskussion statt der Ansprache eines einzigen Gastes. Die Neugier darauf war offenbar groß, die Reihen im großen Saal des Bürgerhauses dicht gefüllt.
Zu den Teilnehmern der Gesprächsrunde, die vom Stadtverbands-Vorsitzenden Gerd Uellenberg moderiert wurde, gehörten die Europa-Abgeordnete Sabine Verheyen, Caroline Breuer (Direktor Government Affairs Central Europe, American Express Europe S.A.), Ulrich Koch (Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Oberberg), Haydar Tokmak (Gewerkschaftssekretär IG Metall) sowie Dejan Vujinovic, Referent des Oberbürgermeisters der Stadt Wuppertal und Fraktionsvorsitzender der Radevormwalder CDU.
Das Thema des Abends lautete „Was brennt den Menschen unter den Nägeln !?“ – und rasch wurde klar, dass es an Problemen – nationalen wie internationalen – zum Start ins neue Jahr keinen Mangel gibt. Zur Sprache kamen natürlich der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die eben erst abflauende Corona-Pandemie. Doch auch grundlegende strukturelle Fragen wurden diskutiert: die Mängel im deutschen Bildungssystem, die wachsende Gefahr der Altersarmut, der Fachkräftemangel, die Komplexität der politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene.
Angesichts der aktuellen Korruptionsermittlungen im Europaparlament erklärte Sabine Verheyen, dass es sich um kriminelle Einzelfälle handle, die keinesfalls typisch für die Parlamentskultur in Straßburg seien: „Wir haben scharfe Transparenzregeln. Und der größte Teil der Abgeordneten macht eine hervorragende Arbeit.“ Allerdings sei für viele Bürger vor Ort die wichtige Arbeit, die auf europäischer Ebene geleistet werde, nicht immer nachvollziehbar. „Auch in den Medien spielen nationale Themen die größere Rolle“, bedauert Verheyen.
Ulrich Koch hakte an dieser Stelle ein und äußerte Kritik an mancher sozialen Initiative auf europäischer Ebene, die sicher gut gemeint sei, aber die Unternehmen, die ohnehin durch viele „sich überlagernde Krisen“ gebeutelt seien, zusätzlich mit Bürokratie belaste.
Im Austausch mit Gewerkschaftsvertreter Haydar Tokmak diskutierte Koch den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, unter dem auch Firmen in der Region leiden. „Wir erleben inzwischen, dass verzweifelte Unternehmer bei der IG Metall anrufen und fragen, ob wir Facharbeiter kennen“, berichtet Tokmak. Der Gewerkschafter und der Arbeitgebervertreter waren bei der Gestaltung des Tarifsystems zwar unterschiedlicher Meinung, aber einig in dem Ziel, dass Deutschland auch weiterhin eine „Industriemacht bleiben muss“, wie Tokmak formulierte.
Eine Belastung für die Unternehmen seien aktuell auch die hohen Energiekosten, wie Ulrich Koch erklärte. In diesem Zusammenhang berichtete Dejan Vujinovic von der „Winterpause“, die sich die Verwaltung in Wuppertal selbst verschrieben hatte, um Energie zu sparen. Während der Weihnachtsferien hatte die Stadt alle Verwaltungsstellen geschlossen. Einerseits konnte damit tatsächlich viel eingespart werden, doch wie Vujinovic berichtete, hatte es auch Kritik an der Tatsache gegeben, dass die Stadt so lange „dicht“ gemacht hatte.
Bei allen Problemen, mit denen das Land derzeit konfrontiert ist, fanden die Teilnehmer aber auch positive Aspekte. So betonte Caroline Breuer: „Wir können froh sein, dass wir in Deutschland das dreigliedrige Bankensystem aus privaten, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Instituten haben.“ Dennoch könne man angesichts der aktuellen Krisen nicht so weitermachen wie bisher, erklärte sie, selbst die scheinbar unangreifbaren Tech-Riesen aus den USA müssten mittlerweile Personal entlassen. Und Ulrich Koch forderte aus Sicht der Arbeitgeber, die Rente mit bereits 63 Jahren müsse abgeschafft werden.
Im Anschluss an die Diskussion gab es für die Besucher im Foyer des Bürgerhauses bei Häppchen und Getränken noch die Gelegenheit, mit den Gästen der Diskussionsrunde und auch untereinander ins Gespräch zu kommen. Die Stimmung war gut – allerdings bedauerten manche Gäste, dass bei der Debatte Radevormwalder Themen zu kurz gekommen waren.