Bürgerbus Es fährt ein Bus nach Irgendwo

Radevormwald · Seit 15 Jahren gibt es den Bürgerbus, den der gleichnamige Verein betreibt. Er fährt durch Rade, nach Hahnenberg, Honsberg und zum Wuppermarkt. Doch immer weniger Menschen nehmen die Transportmöglichkeit in Anspruch.

 Uwe Orzeske fährt seit 15 Jahren ehrenamtlich den Bürgerbus in Rade. „Wichtig ist, dass die Ehefrauen auch so ein bisschen dahinter stehen, was die Männer machen“, sagt der 74-Jährige. Und das macht seine Frau. Auf seiner Tour durch Radevormwald trifft er sie schon einmal auf dem Weg zum Friseur.

Uwe Orzeske fährt seit 15 Jahren ehrenamtlich den Bürgerbus in Rade. „Wichtig ist, dass die Ehefrauen auch so ein bisschen dahinter stehen, was die Männer machen“, sagt der 74-Jährige. Und das macht seine Frau. Auf seiner Tour durch Radevormwald trifft er sie schon einmal auf dem Weg zum Friseur.

Foto: Julia Schüßler

An fast jeder Haltestelle kannte Uwe Orzeske mal jemanden, der nun nicht mehr lebt. Er hat immer ein offenes Ohr und machte auch mal eine Reparatur im Haus seiner Mitreisenden. Seit 15 Jahren fährt er mit dem Bürgerbus durch Radevormwald, nach Hahnenberg, Honsberg und zum Wuppermarkt. Der Bürgerbus-Verein möchte so vor allem älteren Menschen ein Stück Lebensqualität zurückgeben. Aber heute wartet an den Haltestellen kaum noch jemand.

Die Sonne scheint, für Februar ist es ungewöhnlich warm. Der Bürgerbus steht am Busbahnhof in Radevormwald. Uwe Orzeske hockt auf dem Fahrersitz, die Autotür ist auf. Ansonsten wäre es auch zu stickig in dem kleinen Bus, acht Personen finden dort Platz. Es ist 11.05 Uhr. Eigentlich startet jetzt die Hahnenberger Linie. Doch die fährt heute nur auf „EB“. „Das bedeutet Einstieg auf Bedarf“, sagt Orzeske, der auch der Vorsitzende des Bürgerbus-Vereins ist. Denn einfach so durch die Landschaft fahren, wäre zu teuer für den Verein. Die Fahrzeuge werden vom Land gefördert, ansonsten gibt es noch Werbepartner und die Einnahmen aus den Tickets. Eine Fahrt kostet 1,80 Euro für Erwachsene, für Kinder einen Euro und für eine Viererkarte sind 6,80 Euro zu zahlen. Schwerbehinderte mit amtlichem Ausweis und gültiger Marke werden kostenlos befördert. Die insgesamt 25 Fahrer machen ihren Job ehrenamtlich. „Aber ein Dankeschön ist manchmal auch mehr wert als Geld“, sagt Orzeske

Das Handy klemmt am Armaturenbrett, heute klingelt es nicht. Viele Leute wissen auch nicht über den Bürgerbus Bescheid, sagt Orzeske. „Und die Kunden versterben.“ An beinahe jeder Haltestelle hätte mal jemand gestanden, der heute nicht mehr lebt. „Das muss man auch erst einmal verkraften“, sagt Orzeske. Denn der Bürgerbus sei eine große Familie. Gerade älteren Leute, „die nicht mehr so gut drauf sind“, soll so geholfen werden. Viele der Busreisenden seien alleinstehend. „Und Wände geben keine Antworten.“ So hört Orzeske zu, gibt Ratschläge. 14 Jahre lang hat eine ältere Dame in seinem Bus gesessen, heute lebt sie im Altersheim. Zuhause war ihr damals etwas kaputt gegangen, als Orzeske kurzerhand beschloss, sich das mal anzusehen. „Da baut sich dann ein Vertrauen bei den Fahrgästen auf“.

Um 11.40 Uhr bricht Orzeske auf zur Stadtring-Linie. „Eigentlich ist das die beste Strecke“, sagt der 74-Jährige, im Radio singt Wolfgang Petry einen seiner größten Hits „Wahnsinn“. Und irgendwie ist die Fahrt mit dem Bürgerbus auch ein bisschen Wahnsinn. Vor allem, weil sie so unberechenbar ist. Mittwochvormittag seien 30 Menschen mitgefahren, heute niemand. Die Anzahl sei sehr schwankend. „Man steckt da einfach nicht drin.“

Den ersten Halt macht Orzeske an der Kaiserstraße. Hier gibt es einen Supermarkt, ein Ärztehaus und eine Apotheke. „Und hier sehen Sie die Rückseite des größten Unternehmens in Rade, der Firma Gira“, sagt Orzeske plötzlich wie ein Fremdenführer. Und tatsächlich ist der Ausflug mit dem Bürgerbus wie eine Stadtrundfahrt, die der Verein mittlerweile auch anbietet. „Aber es funktioniert nicht“, sagt Orzeske. Nach drei bis vier Fahrten sei es wieder eingeschlafen.

Weiter geht es bis zur Neustraße, dort steht ein Seniorenwohnheim. Noch vor einem Jahr sind dort regelmäßig sechs Personen eingestiegen. Auf der weiteren Strecke liegen Friedhöfe, Schulen und das lifeness. Und jeder Mitreisende merkt, dass Orzeske schon lange in Radevormwald lebt. 1949 konnte er ein großes weißes Haus an der Neue Landstraße sein erstes Zuhause nennen. Und solange es seine Gesundheit zulässt, wird er sein Wissen im Bürgerbus an andere weitergeben.

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