Weißer Ring Opfer brauchen ein offenes Ohr

Radevormwald · Der Weiße Ring setzt sich für Betroffene von Straftaten ein. Zwei ehrenamtliche Helferinnen sind im Nordkreis im Einsatz

 Mit Werbemitteln informiert der Weiße Ring über seine Tätigkeiten.

Mit Werbemitteln informiert der Weiße Ring über seine Tätigkeiten.

Foto: dpa/Bodo Schackow

Bei einer Straftat gilt das öffentliche Interesse meistens dem Strafgeschehen, der Persönlichkeit des Täters, der Strafverfolgung und der Verurteilung. Die Opfer werden oftmals vergessen, sie fühlen sich von der staatlichen Seite nicht ausreichend beachtet. Der Weiße Ring setzt sich deutschlandweit mit 400 Außenstellen und über 3000 ehrenamtlichen Helfern für die Betroffenen ein. In Radevormwald und Hückeswagen sind zwei ehrenamtliche Helferinnen im Einsatz, ein Notfalltelefon ist immer besetzt.

Barbara Reichler ist 63 Jahre alt und Außenstellenleiterin des Oberbergischen Kreises. Sie ist gelernte Sonderpädagogin und leitete eine Förderschule im Kreis. 2016 ging sie in den Frühruhestand, da kam der Opferschutz auf sie zu. Neben der Opferbetreuung macht sie heute auch die Verwaltung im Oberbergischen Kreis, zehn bis 20 Stunden arbeitet sie in der Woche – alles ehrenamtlich. „Das Notfalltelefon ist aber immer besetzt“, sagt Reichler. Mindestens dreimal am Tag schaut sie auf das Mobiltelefon und ruft die Anrufer zurück. Wenn sie im Urlaub ist, übergibt sie das Telefon an eine Mitarbeiterin.

In den meisten Fällen arbeitet der Weiße Ring mit der Polizei zusammen. Manchmal haben die Betroffenen den Verein aber auch über Medien wie Facebook gefunden. „Zum Großteil rufen bei uns Personen an, die hier auch richtig sind“, sagt Reichler. Richtig sind Personen, die Opfer von Kriminalität geworden sind. Manchmal geht der Weiße Ring aber auch auf die Betroffenen zu, wenn diese beispielsweise zu traumatisiert sind, um selbst tätig zu werden. „Das geschieht dann aber in Absprache mit der Polizei. Wir geben nur ein Hilfeangebot“, sagt Reichler. Durch persönliche Gespräche wird dann in einem nächsten Schritt ermittelt, welche Hilfeleistung für die jeweilige Person infrage kommt.

In erster Linie hilft der Weiße Ring durch Unterstützung und Mitgefühl. Die Helfer sind auf der Seite der Opfer. „Die Behauptungen der Opfer sind für uns erst einmal wahr“, sagt Reichler. Sie hätten nichts mit der Strafverfolgung zu tun und können auch helfen, wenn keine Anzeige vorläge. Neben der seelischen Unterstützung erhalten die Opfer beim Weißen Ring auch finanzielle Beihilfen: Erholungsmaßnahmen, Bestattungskosten und finanzielle Notwendigkeiten, wenn Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, beispielsweise von zu Hause weggehen. Außerdem macht ein Hilfsnetz mit einem direkten Zugang zu Spezialisten wie Anwälten, Psychologen und Therapeuten eine schnelle Hilfe möglich.

Je nach Situation treffen sich die ehrenamtlichen Helfer mit den Opfern zu Hause oder an einem anderen Ort. „Bei häuslicher Gewalt gehen wir nicht in den Haushalt“, sagt Reichler. Der Schutz der Mitarbeiter sei hier auch wichtig. In diesem Jahr betreute und betreut der Weiße Ring bisher 16 Fälle im Nordkreis. Häusliche Gewalt, Körperverletzung, Missbrauch, Vergewaltigung, Sexualdelikte und Stalking sind die Gründe. Einer Körperverletzung fallen im Nordkreis prozentual mehr Männer zum Opfer, Vergewaltigungen mehr Frauen. 200 Kilometer haben die zwei ehrenamtlichen Helferinnen im Nordkreis in diesem Jahr bisher mit dem Auto zurückgelegt. „Es gibt Betroffene, die bewusst keine Mitarbeiter aus ihrem Wohnort haben wollen“, sagt Reichler. Das sei häufig der Fall, wenn sie in die Öffentlichkeit eingebunden seien.

Helfen kann jeder, so viel er möchte. „Die Mitarbeit passt sich immer den persönlichen Gegebenheiten an“, sagt Reichler. Somit sind auch zwei Stunden in der Woche oder im Monat möglich. Neben der Opferbetreuung, ist auch ein Engagement in der Präventionsarbeit möglich. Alle Ehrenamtler müssen zu Beginn einen Grundlehrgang durchlaufen, eine andere spezielle Ausbildung ist nicht notwendig. Die Mitarbeiter werden weiterhin ständig fortgebildet. Alle sechs bis acht Wochen treffen sich alle Mitarbeiter des Oberbergischen Kreises und besprechen sich.

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