Weihnachten in Radevormwald Das erste schwierige Jahr gemeinsam

Radevormwald · Mit dem Januar 2020 wurden die zwei Gemeinden Remlingrade und Dahlerau zu einer. Das erste Jahr verlief ganz anders als geplant. Pfarrer Keller erzählt vom Zusammenwachsen in Zeiten der Pandemie.

 Ernst Albrecht Keller vor dem Altarraum der evangelischen Kirche in Dahlerau. Das Bibelwort im Hintergrund erhält vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie besondere Bedeutung. Präsenzgottesdienste können unter diesen Umständen nicht stattfinden, obwohl man lange darauf gehofft hatte.

Ernst Albrecht Keller vor dem Altarraum der evangelischen Kirche in Dahlerau. Das Bibelwort im Hintergrund erhält vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie besondere Bedeutung. Präsenzgottesdienste können unter diesen Umständen nicht stattfinden, obwohl man lange darauf gehofft hatte.

Foto: Jürgen Moll

Die evangelische Kirche am Siedlungsweg ist weihnachtlich geschmückt, doch an den Feiertagen wird es drinnen still sein. In der evangelischen Kirchengemeinde Remlingrade-Dahlerau gibt es in diesem Jahr keine Präsenzgottesdienste zum Fest. Es ist der Ausklang eines Jahres, das für die Gemeindemitglieder so ganz anders ablaufen sollte. 2020, das war das erste gemeinsame Jahr zweier selbstständiger Kirchensprengel: Remlingrade, das ländliche Kirchdorf im Norden der Stadt, die älteste Ortschaft Radevormwalds und mit seinem schönen alten Gotteshaus auch die Mutterkirche der örtlichen Gemeinden. Und Dahlerau, der von der Tuchindustrie im Tal der Wupper geprägte Ortsteil. Vor 100 Jahren noch zwei Lebenswelten, die wenig miteinander zu tun hatten.

Ernst Albrecht Keller fiel die Aufgabe zu, als Pfarrer diese beiden Gemeinden zusammenzuführen. Doch das erste gemeinsame Jahr fiel ausgerechnet in die Zeit der Corona-Pandemie. Pastor, Presbyterium und Ehrenamtler mussten darauf reagieren. Letztlich, so meint Keller am Ende des Jahres, habe es mehr zum Zusammenwachsen der Gemeinde beitragen als man meinen könnte. „Dieses Gefühl, dass die Menschen zusammenrücken möchten, das ist deutlich spürbar“, berichtet er. Vieles sei durch die Pandemie ausgebremst worden, was man für das erste Jahr der Fusion geplant hatte. Doch Not macht erfinderisch, und so kam man auf die Idee mit den „Wäscheleinen“. Auch an diesem Tag flattert eine davon vor der Kirche im Wind.

Als die erste Corona-Welle übers Land zog und normale Gottesdienste nicht mehr möglich waren, spannten Gemeindemitglieder vor die beiden Kirchen jeweils eine Wäscheleine. Daran hingen Programme mit Andacht, Gebeten und Liedern. Jeder dürfte sich ein Programm für Zuhause mitnehmen. Die Idee kam an und wurde fortgeführt – so sorgt die Wäscheleine auch metaphorisch dafür, dass die Verbindungen innerhalb der Gemeinde nicht abreißen.

Eine weitere Aktion: Der Posaunenchor brachte den Bewohnern der Senioren-WG in Remlingrade regelmäßig ein Ständchen. Die drohende Vereinsamung der älteren Gemeindemitglieder war eine der Herausforderungen des Jahres. „Ich habe oft Anfragen von Menschen bekommen, die sich alleine fühlten und Kontakte zu ihrer Familie nicht pflegen konnte“, berichtet Keller. In den Gesprächen mit den alten Menschen hat der Geistliche viel erfahren von früheren Zeiten in den Pfarrsprengeln, und erneut sei ihm klar geworden, wie verschieden die beiden Gemeinden in ihrem Ursprung gewesen seien. „Remlingrade ist traditionell bäuerlich geprägt“, sagt er. „Ich habe Geschichten gehört, wie damals die Ernte eingebracht wurde, wie bei dem oder jenem Nachbarn das Pferd krank wurde und so fort.“

In Dahlerau dagegen gingen die Arbeiter der Tuchfabriken zur Kirche. Die alten Firmen wie Wülfing gibt es heute nicht mehr, doch die gewachsenen Strukturen seien noch immer spürbar. „Unter den früheren Belegschaften herrscht ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit, alte Freundschaften werden noch immer gepflegt.“ Zwei traditionelle Seiten des bergischen Lebens, die nun behutsam zusammengeführt werden müssen. Bei Fusionen von Kirchengemeinden ist Fingerspitzengefühl gefragt, weiß Albrecht Keller. „Es passiert schnell, dass sich bei manchen der Eindruck verfestigt, dass diese oder jene Gemeinde bevorzugt wird.“

Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie sitzen freilich alle im selben Boot. Von Todesfällen durch Covid-19 sei man in der Gemeinde bislang verschont geblieben, berichtet Keller. Was die Planung für 2021 betrifft, sagt er: „Wir fahren auf Sicht.“ Überhaupt habe man 2020 aus dem Moment heraus agieren müssen. Die Bereitschaft zum Mitmachen unter schwierigen Bedingungen habe sich allerdings auf das Zusammengehörigkeitsgefühl gut ausgewirkt. „Ich möchte mich beim Presbyterium bedanken“, sagt der Pfarrer. „Für ihren Einsatz und ihre Flexibilität.“

Schon jetzt überlegen die Verantwortlichen, wie man den Konfirmandenunterricht 2021 organisiert. „Eventuell im Blockunterricht, um das Versäumte nachzuholen“, meint Keller. Die großen Feste wie Ostern werden auf jeden Fall gefeiert – irgendwie.

 Die alte Dorfkirche in Remlingrade gilt als die Mutterkirche im Radevormwalder Raum.

Die alte Dorfkirche in Remlingrade gilt als die Mutterkirche im Radevormwalder Raum.

Foto: Flora Treiber
 In Dahlerau gingen die Arbeiter der Tuchfabriken zur Kirche. Die alten Firmen gibt es heute nicht mehr.

In Dahlerau gingen die Arbeiter der Tuchfabriken zur Kirche. Die alten Firmen gibt es heute nicht mehr.

Foto: Stefan Gilsbach

Fusion Die Vereinigung der zuvor getrennten evangelischen Gemeinden Remlingrade und Dahlerau wurde offiziell zum 1. Januar 2020 vollzogen und am 23. Februar mit einem Festgottesdienst groß begangen. Der Beschluss zur Fusion war 2019 genehmigt und von beiden Presbyterien gebilligt worden.

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