Flüchtlingshilfe Flüchtlinge wagen sich wieder ins Boot

Radevormwald · Mit vereinten Kräften paddelten am Sonntag Flüchtlinge und Helfer in Drachenbooten über den Beyenburger Stausee. Der Ausflug der Rader Flüchtlingshilfe machte den mehr als 50 Teilnehmern Spaß – und er war auch sehr lehrreich.

 Viel Spaß auf dem Beyenburger Stausee: Die Rader Flüchtlingshilfe lädt Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer zu einer gemütlichen Ausfahrt.

Viel Spaß auf dem Beyenburger Stausee: Die Rader Flüchtlingshilfe lädt Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer zu einer gemütlichen Ausfahrt.

Foto: Cristina Segovia Buendia

Aufregung und Freude Sonntagnachmittag vor dem Clubhaus des Wuppertaler Kanu-Sportvereins am Ufer des Beyenburger Stausees – und großes Gewusel obendrein. Etwa 40 Teilnehmer hatten sich im Vorfeld angemeldet, um bei diesem Event auf dem Wasser dabei zu sein. „Erfahrungsgemäß kommt ein großer Teil hinterher nicht, aber diesmal sind fast alle da“, sagte Horst Kirschsieper, von der Ehrenamtsinitiative „Weitblick“ und Koordinator der Radevormwalder Flüchtlingshilfe erfreut, während er versuchte, die Anwesenden auf seiner Liste festzuhalten. Wer nicht schwimmen konnte, erhielt eine Schwimmweste umgeschnallt und durfte zur nächsten Station, wo ein Kanu-Sportler die Neulinge in das Drachenbootfahren einwies. Disziplin und Ordnung sind in einem Boot, das von 20 Personen fortbewegt wird, wichtig, wenn es nicht kentern soll.

Davor äußerten einige der Flüchtlinge bereits an Land Sorgen. „Ich kann nicht schwimmen, ich weiß nicht, ob ich da mitfahren sollte“, sagte einer von ihnen. Viele waren übers Meer nach Europa geflüchtet. Traumatische Erinnerungen schwappten beim Anblick des Bootes und des Wassers hoch. „Keine Sorge, wir sind bei dir. Dir wird schon nichts passieren“, versuchten die anderen ermutigend auf ihn einzureden. Dieser junge Mann ließ sich überreden, schnallte sich die Weste noch ein bisschen enger an den Körper und stieg ins Boot. Andere drehten nach nicht schwinden wollenden Bedenken schlichtweg um und schauten sich den Auslauf der Expedition aus sicherer Entfernung an. „Das gehört auch dazu“, äußerte Kirschsieper. „Sich in diesem geschützten Rahmen mit seinen traumatischen Erlebnissen auseinanderzusetzen und zu verarbeiten. Es bringt ja nichts, wenn sie damit nur unter sich bleiben.“

Etwa eine Stunde dauerte die Rundfahrt auf dem Stausee, die Kirschsieper und seine Helfer an Land nutzten, um den Grill anzuzünden und alles für einen gemütlichen Nachmittag vorzubereiten. Seit 2015 engagiert sich der Radevormwalder in der Flüchtlingshilfe. Vieles konnten die ehrenamtlichen Kräfte in der Stadt schon meistern, waren als Ersthelfer im Dienst, haben erste Kontakte zu den Neubürgern geknüpft und sie tatkräftig unterstützt, damit sie sich hier einfinden. Ihre Arbeit ist aber längst noch nicht beendet: „Jetzt geht es um die echte Integration“, betont Kirschsieper. Viele hätten bereits ihre Bescheide erhalten, müssen sich jetzt um Wohnung und Arbeit kümmern. „Auch dabei unterstützen wir sie und versuchen, durch regelmäßige Angebote wie Nähcafé, Computer- und Bewerbungstrainings und auch Nachhilfe für Kinder und Jugendliche, den Kontakt aufrechtzuerhalten, und dort zu helfen, wo es nötig ist.“ Der ständige Austausch schaffe aber auch eine tolle Vertrauensbasis zwischen Flüchtlingen und Helfer, besonders unter den Frauen.

Ein Vertrauen, das sich auch auf dem Wasser bemerkbar machte: Am Ende ihrer Rundfahrt stiegen alle freudestrahlend aus dem Boot. Keiner war gekentert. „Und es hat sehr viel Spaß gemacht, das hätte ich nicht gedacht“, äußerte Mengs (29) aus Eritrea. Er habe keine Angst vor dem Wasser, obwohl er aus Libyen mit einem Schlauchboot flüchtete. „Eigentlich durften da nur 70 rein, am Ende waren wir 100. Zum Glück ist nichts passiert.“

Abdullah (24) aus Syrien dagegen musste zusehen, wie bei der Überfahrt von der Türkei nach Italien, zwei Menschen starben. „14 Tage lang waren wir in einem 30-Meter langen Boot mit 300 Leuten auf dem Meer.“ Erlebnisse, die er hinter sich gelassen hat und nun – dank ehrenamtlicher Helfer – ein neues Leben in Radevormwald aufbauen kann.

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