Radevormwald Mit Elektroschocker und Axt auf Beutezug in Rade

Radevormwald · Es war ein spontaner Beutezug der denkwürdigen Art: An einem Abend im August 2013 war ein heute 39-jähriger Wipperfürther in eine Bankfiliale in der Rader Innenstadt spaziert - mit Elektroschocker in der Hand. Den setzte er ein, um den Geldautomaten im Vorraum zu "knacken" - erfolglos. Zurück blieb ein defekter Automat, Schaden: rund 10.000 Euro. Von dort aus machte sich der Mann auf den Weg zu einem Discounter am Busbahnhof, schlug dort mit einer Axt die gläserne Eingangstür ein, zerstörte an der Kasse ein Rollgitter und verließ mit wenigen Packungen Zigaretten als Beute den Markt. Kurz darauf fasste ihn die Polizei.

Vor dem Amtsgericht in Wipperfürth musste sich der Mann wegen dieser nun über drei Jahre zurückliegenden Taten verantworten. Die Anklage lautete auf Diebstahl in einem besonders schweren Fall. Außerdem war der 39-Jährige wegen Urkundenfälschung in sechs Fällen angeklagt: Nach den Vorfällen hatte er mehrfach versucht, mit gefälschten Rezepten in Apotheken an das verschreibungspflichtige Beruhigungsmittel Diazepam zu kommen.

Seine über Jahre andauernde schwere Abhängigkeit von der Droge auf Rezept hatte den Wipperfürther auch zu den Taten in Rade getrieben. Was genau er getan hatte und warum, konnte er auf Befragen des Richters gestern nicht sagen. Seinen "Filmriss" begründete er damit, damals unter dem Einfluss des Beruhigungsmittels gestanden zu haben: "Ich war außer mir!" Er gestehe aber alles ein.

Begonnen hatte alles ganz harmlos: Mit seiner Verlobten war der Mann nach Wuppertal gefahren. Dort streikte das Auto. Von Barmen aus fuhr das Paar mit dem Bus nach Rade. Vorher hatte er den Elektroschocker und die Axt aus seinem Auto genommen aus Sorge, beides könnte gestohlen werden. Am Busbahnhof in Rade ging's dann nicht weiter: Beide hatten kein Geld, um den nächsten Bus nach Hause zu nehmen. Die Frau machte sich auf zu einer Tankstelle, um dort eine Mitfahrgelegenheit zu suchen. Währenddessen lief der Mann mitsamt Elektroschocker und Axt erst zur Bank, dann zum Discounter. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon zahlreiche Tabletten des Beruhigungsmittels genommen. Er wusste offenbar nicht mehr, was er tat. Zumindest ging der gestern geladene Gutachter davon aus, dass der suchtkranke Werkzeugmacher die eigene Steuerungsfähigkeit unter dem Einfluss der Droge verloren hatte.

Der Schuldspruch fiel entsprechend aus: Wegen "fahrlässigen Vollrausches" und Urkundenfälschung verurteilte der Richter den 39-Jährigen zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Zu den Auflagen gehören 100 Stunden gemeinnützige Arbeit und ärztliche Aufsicht. Er ist bereits seit drei Jahren Teilnehmer am Methadon-Programm. Dass er seit den Vorfällen in Rade erfolgreich an diesem Programm unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle teilnimmt, und seitdem, abgesehen vom Methadon, drogenfrei lebt und keine Straftat mehr begangen hat, wertete der Richter strafmildernd.

(RP)
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