Interview Hartmut Demski Ein Feiertag der Toleranz wäre vorstellbar

Radevormwald · Die BM sprach mit Superintendent Hartmut Demski darüber, ob der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag werden soll.

 Hartmut Demski wurde im Jahr 2005 von der Kreissynode zum Superintendenten gewählt. 2008 wurde er wiedergewählt, 2016 im Amt bestätigt.

Hartmut Demski wurde im Jahr 2005 von der Kreissynode zum Superintendenten gewählt. 2008 wurde er wiedergewählt, 2016 im Amt bestätigt.

Foto: Demski

Herr Demski, im Vorjahr war wegen des Lutherjahrs der Reformationstag einmalig auch ein gesetzlicher Feiertag. Sollte er das auch weiterhin sein?

Hartmut Demski Zunächst einmal ist es ein Zeichen von Wahrnehmung und Anerkennung, wenn überhaupt in Erwägung gezogen wird, den Reformationstag auch in Nordrhein-Westfalen zu einem regelmäßigen gesetzlichen Feiertag zu machen. Daher ist man als Vertreter der evangelischen Kirche geneigt zu sagen: Ja super, warum nicht? Bei genauerem Hinsehen stellen sich mir da allerdings doch verschiedene Fragen. Können und wollen wir das ehrlicherweise jetzt und heute vertreten? In den östlichen Bundesländern ist der Reformationstag ja durchgehend ein staatlicher Feiertag. Und gerade dort erleben wir eine evangelische Kirche in der Minderheit. Und auch in den westlichen Bundesländern sind wir auf dem Weg dahin. Daher frage ich mich, ob es angemessen ist, einen dezidiert evangelischen Feiertag für alle Menschen in Deutschland einzurichten.

Was ist Ihre Alternative?

Demski Ich halte es für sinnvoller, einen Feiertag einzuführen, der nicht ausgrenzend wirkt – im Sinne eines Feiertags nur für eine Gruppe, der er wichtig ist und die ihn feiert und begeht, der aber für den Rest der Bevölkerung eben nur ein freier Tag ist. Ich könnte mir einen Feiertag der Toleranz vorstellen – einen integrierenden Tag, einen Tag der Religionsfreiheit. So etwas fände ich interessant. Wir würden dann nicht zurückblicken – was war 1517? –, sondern wir würden uns auf die Grundlagen besinnen und darauf, was auch künftig für uns wichtig sein soll. Wenn man das noch unter das religiöse Vorzeichen stellt, dann sind wir schnell bei so etwas wie einem Tag der Toleranz. Außerdem wäre man dann mit der Freiheit bei einem ganz zentralen Thema der Reformation.

Spielen Feiertage im evangelischen Christentum nur eine geringe Rolle?

Demski Das würde ich nicht sagen. Die Feiertage, die es gibt und die auf eine Tradition zurückgreifen, halte ich für wichtig und wertvoll. Und ich würde sie auch gerne weiterhin nutzen, um zu zeigen, wie unsere Kultur geprägt ist. Denn sie sind auch ein Ausdruck der Kultur eines Landes.

Was genau wird am Reformationstag eigentlich gefeiert?

Demski Historisch geht es um die Veröffentlichung der 95 Thesen, mit denen Luther die Erneuerung der Kirche anstrebte. Inhaltlich geht es um die Dinge, die die Reformation in den Mittelpunkt ihres Bekenntnisses gestellt hat. Das ist einmal die Lehre der Rechtfertigung, was nichts anderes bedeutet, als dass ich Mensch mit meinem mehr oder weniger gelingendem Leben Gott recht bin. Im Zentrum aller Verkündigung steht zudem Christus und als drittes geht es darum, dass die Bibel der Maßstab dessen ist, was uns zusammenführt. Ich glaube nämlich, dass es beim gemeinsamen Lesen der Schrift vieles zu entdecken gibt, was nicht altmodisch, überholt und verstaubt ist.

Wie begehen evangelische Christen im Allgemeinen den Reformationstag?

Demski Der Schwerpunkt liegt auf dem Abend. Dann laden wir zu einem feierlichen Gottesdienst mit einem thematischen Schwerpunkt bei einem reformatorischen Thema ein.

Welche Rolle, glauben Sie, spielt er heute noch bei den Gläubigen?

Demski Wenn nicht gerade 500 Jahre Reformation gefeiert wird, wird er sicherlich nicht so sehr beachtet. 2017 waren die Kirchen brechend voll. Die Menschen, denen die Gemeinde wichtig ist, werden am Reformationstag aber durchaus zusammengeführt. Es wird natürlich nicht den ganzen Tag lang gefeiert – zumal es eben für die meisten Menschen ein normaler Arbeitstag ist. Aber am Abend ist es dennoch ein Tag der Gemeinschaft und des gemeinsamen Bekennens unseres Glaubens.

Merken Sie nach einem Dreivierteljahr einen Widerhall des Lutherjahres im Gemeindealltag?

Demski Wir haben keine grundlegende Veränderung erlebt, keine neue oder zweite Reformation. Es sind einzelne Veranstaltungen in Erinnerung geblieben. Im Kirchenkreis war das neben den großen Konzerten vor allem der Gottesdienst in der Wagenhalle, der viele Christen aus der Umgebung zusammengeführt hat. Aus dieser Erfahrung heraus ist der Wunsch entstanden: Können wir das nicht öfter machen? Können wir nicht hin und wieder solche gemeinsamen Gottesdienste feiern, ruhig auch mit diesem Aufwand, alleine schon, weil wir einen entsprechend großen Raum brauchen? Das ist ein Impuls, der aus dem Reformationsjahr ausstrahlt. Ich glaube auch, dass wir uns als Gemeinden im Kirchenkreis durch die vielen gemeinsamen Veranstaltungen nähergekommen sind. Ich hätte mir noch viel mehr Austausch zwischen den Orten gewünscht, aber insgesamt haben wir uns durch die Woche stärker und besser in den Blick bekommen.

Wie wichtig ist es, ein solches Jubiläum in der Art zu feiern, wie das getan wurde?

Demski Sehr wichtig, auch in der Reaktion der Gläubigen. Wir haben eine ganz eigene Dynamik erlebt, da wir die Festwoche anfangs viel kleiner gedacht hatten, und sie dann letztlich doch viel größer wurde.

Würden Sie heute in der Planung etwas anders machen oder sind Sie insgesamt zufrieden?

Demski Natürlich haben wir auch Fehler gemacht. Zum Beispiel haben wir uns durch das Nebeneinander einiger Veranstaltungen gegenseitig Besucher weggenommen. Das war auch für manche durchaus ärgerlich, die so Veranstaltungen versäumten. An dieser Stelle würde ich schon anders planen. Zudem lassen sich auch andere Formate denken: Wir planen für 2019 im September ein Wochenende unter der Überschrift „Tatsächlich Frieden“. Das ist im Grunde schon die Aufnahme des Impulses aus dem Reformationsjahr, wieder etwas Gemeinsames zu machen. Anders als bei der Festwoche werden wir an dem Samstag dieses Wochenendes an einem zentralen Ort verschiedene Workshops anbieten. Somit ist das ein deutlich anderes Format – aber mit den Impulsen aus dem Reformationsjahr.

Wie steht es in dieser Zeit um die Ökumene – im Allgemeinen, aber auch im Kirchenkreis Lennep speziell?

Demski Wir haben seit vielen Jahren die gleiche Situation: Das ökumenische Miteinander funktioniert auf der lokalen Ebene sehr gut. Da gibt es gar keine Probleme, an vielen Stellen sind wir so nah miteinander unterwegs, dass man sich fragen kann: Wo sind denn da die Grenzen? Aber sobald man die gemeindliche Ebene verlässt, hin zu öffentlichen Verlautbarungen auf Ebene der Bistümer, gibt es die Unterschiede und Probleme wieder. Da merken wir auch deutlich, dass wir dort immer noch sehr unterschiedlich unterwegs sind. Es gab ja im Frühjahr diese eigentümliche Auseinandersetzung, als der Erzbischof von Köln sich durchaus abwertend gegenüber unserer Abendmahlspraxis geäußert hat, um zu begründen, warum er gegen eine gemeinsame Feier ist. So etwas wirft uns deutlich zurück.

Glauben Sie, dass in der Weltkirche heute eine weitere Reformation nötig ist?

Demski Mit dem Ziel einer Vereinigung der Kirchen?

Möglicherweise.

Demski Ich weiß nicht, ob es wirklich eine Zusammenführung sein muss. Ich glaube, es könnte genügen, wenn wir uns auf den gemeinsamen Hintergrund und das Verbindende konzentrieren und dann in großer Freiheit zusammenarbeiten. Die unterschiedlichen Kulturen bereichern auch unser Christsein. Es muss nicht alles ein großes Ganzes sein. Es muss dabei nur klar sein, dass wir in dem, was wir wollen, woran wir glauben, völlig eins sind. Und dass wir uns dabei keine Steine in den Weg legen und wirklich offen miteinander wirken. Und zusammen Abendmahl feiern. Ich glaube, wir könnten auf diese Weise auch wieder mehr Menschen erreichen.

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