Interview „Kinderchöre legen die Basis für das Singen“

Bergisches Land · Regionalkantor spricht über die Besonderheiten für Chöre in der Vorweihnachtszeit – und warum das Singen so ganz besonders ist.

 Bis er mit 17 Jahren endlich an die Orgel durfte, erlernte Regionalkantor Bernhard Nick Blockflöte und Klavier. Die Blockflöte landete schließlich im Koksofen.  foto: peter meuter (archiv)

Bis er mit 17 Jahren endlich an die Orgel durfte, erlernte Regionalkantor Bernhard Nick Blockflöte und Klavier. Die Blockflöte landete schließlich im Koksofen. foto: peter meuter (archiv)

Foto: meuter

Herr Nick, die Weihnachtszeit steht bevor – für die Kirchenchöre der Region beginnt jetzt eine stressige Zeit, oder?

Bernhard Nick Die Vorweihnachtszeit kann für die Kirchenchöre stressig werden. Stress kommt aber weniger durch die etwas höhere qualitative Beanspruchung der Sängerinnen und Sänger zu Stande, sondern durch viele Begleitumstände, wie Weihnachtsbetriebsfeiern, höhere Arbeitsbelastung in Betrieben oder zeitlich umfangreichere familiäre Verpflichtungen. Da ist der Akku der Chormitglieder zu den Proben oftmals schwächer, als in anderen Zeiten. Deshalb probe ich schon im Sommer kurz am Weihnachtsprogramm, damit ich im November nicht ganz von vorne beginnen muss. Alle Chöre freuen sich auf ihre Aufgaben, da in der Weihnachtszeit immer besonders stimmungsvolle Musik gesungen wird, die bei den Zuhörern die Seele zu berühren vermag. Die Freude des Publikums kommt so wieder zu den Chören zurück. Dabei kommen jedes Mal sehr gute Erlebnisse rum, die kein Chor missen möchte – trotz der betriebsamen Vorweihnachtszeit.

Welche Konzerte und Auftritte stehen denn für Sie an?

Nick Es sind mehrere Auftritte, wobei die Gottesdienstgestaltung die aufwendigste und anspruchsvollste Aufgabe der Chöre ist: Im Einzelnen sind das die Festgottesdienste zum Christkönigssonntag, bzw. dem Cäcilienfest im November, ein Krankenhaussingen in Rade, Adventsliedersingen im Haus Thiele, Adventsmusik auf dem Weihnachtsmarkt der Wupperortschaften, das Weihnachtskonzert der Wupperchöre, die musikalische Gestaltung von drei Christmetten, dem Weihnachtshochamt und dem Festgottesdienst am zweiten Weihnachtstag. An Silvester, wie auch Neujahr sind die Chöre auch dreimal im Einsatz.

Was genau sind eigentlich die Aufgaben eines Regionalkantors?

Nick Die Aufgaben eines Regionalkantors sind vielfältig. Er ist die Kontaktstelle in kirchenmusikalischen Angelegenheiten zwischen den Gemeinden und dem Erzbistum, er ist in der Kirchenmusikerausbildung tätig, sorgt für die Weiterbildung der Kollegen und fördert sie. Gleiches gilt auch für die Chöre in seiner jeweiligen Region. Bei mir sind das der Oberbergische Kreis und der Kreis Altenkirchen. Der Regionalkantor ist Ansprechpartner für liturgisch-musikalische Fragen und entwickelt und prägt mit seinen Kollegen auch die kirchenmusikalische Richtung. Besonders schön ist die Organisation von Großprojekten. Im Oberbergischen Kreis haben alle Chöre schon dreimal eine Auftragskomposition, die nach meinen Ideen gestaltet wurden, uraufgeführt. Dass dieses gelingen konnte, erfüllt mich mit Dankbarkeit. Das Highlight in diesem Jahr war die Organisation der Kirchenmusikfestwoche anlässlich der 150-Jahr Feier des Diözesan-Cäcilienverbandes. Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle, dass viele Kirchenmusiker mit größeren und kleineren Sorgen an mich herantreten. Hier muss ich dann auch einmal Kummerkasten sein und Problemlösungen gemeinsam mit den Kollegen entwickeln.

Und welche zusätzlichen Aufgaben haben Sie in den kommenden Wochen?

Nick Die zusätzlichen Aufgaben sind natürlich die vermehrten Choreinsätze und deren Organisation, bei denen mir aber die jeweiligen Chorvorstände zur Seite stehen. Sonst wäre das alles nicht zu schaffen. Auch stehen Sonderübungseinheiten auf der Orgel an, weil ich am Sonntag, 25. November, die Hückeswagener Seifert-Orgel bei einem Orgelkonzert in der Pfarrkirche spielen werde. Als Regionalkantor plane ich aber auch schon für 2019. Im kommenden Jahr wird es in Oberberg wieder ein großes Chortreffen mit neuer Musik geben, außerdem einen Diözesanseniorenchortag im Kloster Knechtsteden. Die Betreuung der Seniorenchöre gehört auch zu meiner Regionalkantorentätigkeit. Fast schon entspannend werden ein Taizéworkshop am 5. Dezemeber in Osberghausen sein sowie die Schulung von Erzieherinnen in neuen Adventslieder in Altenberg an zwei Tagen.

Haben Sie nachgezählt? Wie oft stehen Sie in den kommenden Wochen bis nach Weihnachten vor einem Chor?

Nick Das dürfte ungefähr 15 Mal der Fall sein.

Was macht das Singen im Advent und zu Weihnachten besonders?

Nick Da wäre zuerst das weihnachtliche Ambiente zu nennen, in dem wir singen können. Schon alleine deshalb singen die Chöre ruhiger und entspannter und mit mehr Gefühl. Besonders sprechen einen auch die Texte an, weil sie mit der Menschwerdung unseres Schöpfers, beziehungsweise mit dem Warten auf ihn zu tun haben. Hier können wir eine innere Verbindung zu unserer eigenen Menschwerdung erahnen und auch nachvollziehen, was es bedeutet von Gott geliebt und erlöst zu sein.

Auf welchen Chorauftritt in welcher Messe freuen Sie sich besonders?

Nick Das ist eine schwierige Frage. Jeder Gottesdienst ist bei aller Unterschiedlichkeit der gefeierten Liturgien schön – und besonders schön, wenn ein Chor singt. Aber besonders freue ich mich auf die „kleineren“ Auftritte in Altenheimen, wo wir auch mit Menschen mit Demenz zusammentreffen. Immer ist es ein Wunder, wenn sie durch den Gesang wach werden und nach und nach mitsingen. Ich schmunzele immer, wenn der Chor mit den Notenblättern singen muss, und die Bewohner alle Strophen auswendig können.

Welches ist Ihr persönliches Lieblingslied im Advent?

Nick Dabei handelt es sich um ein neueres Adventslied. Es heißt: „O Herr, wenn du kommst, wird die Welt wieder neu.“

Und welches an Weihnachten?

Nick „Nun freut euch ihr Christen, singet Jubellieder“

Singen ist ja durchaus bei den Menschen beliebt – trotzdem werden Chöre kleiner oder müssen aufhören. Was kann man dagegen tun?

Nick Leider ist das so. Eine kurzfristige Lösung kann ich nicht benennen. Wichtig ist eine gute konzeptionelle musikalische Arbeit, die im Kindergarten beginnt und über qualifizierende Stufen schließlich in den Kirchenchor mündet. Dabei ist ein solider Qualitätsanspruch sehr wichtig. Mit Spaß, Belustigung und Aktion allein erreicht man nur kurzfristig Ziele.

Wie kann man die jungen Menschen in Kirchenchöre bekommen?

Nick Über kontinuierliche Arbeit mit Kindern, wobei sinnvollerweise Mädchen und Jungen getrennt proben sollten. Die Förderung sollte idealerweise bereits im Vorschulalter beginnen.

Welche Rolle spielen hierbei Kinderchöre?

Nick In Kinderchören wird die Basis für das Singen gelegt. Wer als Kind gesungen hat, hört in der Regel nicht auf Dauer damit auf. Irgendwann finden sich viele junge Sänger in Erwachsenenchören wieder.

Was für einen Reiz haben für Sie Seniorenchöre – inwieweit muss man hier anders planen als im normalen Kirchenchor oder im Kinderchor? Wie sieht es aus bei der Planung der Proben?

Nick Seniorenchöre singen mit ihrer ganzen Lebenserfahrung. Wenn ein Seniorenchor von Liebe singt, steckt ein größeres Spektrum an Erfahrungen dahinter, als wenn das gleiche Stück ein Jugendchor singt. Das macht die Leitung eines Seniorenchores spannend. Die Stücke, die dabei eingeübt werden, benötigen mehr Vorlaufzeit, die Probentermine müssen und sollten nicht unbedingt abends sein. Die Probendauer sollte kürzer sein, das Notenbild sollte im Großdruck vorliegen. Und auch stimmbildnerisch gibt es andere Ansätze. Nicht zuletzt muss die Auswahl der Chorstücke gewissen Kriterien folgen.

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