Radevormwald Immobilien-Markt ist leergefegt

Radevormwald · 77 Immobilienfinanzierungen meldet die Sparkasse Radevormwald-Hückeswagen fürs Geschäftsjahr. Beide Städte gehören zum Speckgürtel der rheinischen Großstädte.

  Die letzten Grundstücke in Radevormwald werden an der Friesenstraße bebaut.

Die letzten Grundstücke in Radevormwald werden an der Friesenstraße bebaut.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Wer in diesen Wochen, ja Monaten, in Radevormwald ein Grundstück für den Bau eines Eigenheims sucht oder Gebrauchtimmobilien, stellt fest: Der Markt ist leer. Das bekommt auch die Stadtsparkasse zu spüren, die natürlich weniger Kreditverträge abschließen kann. Die Stimmung ist deshalb nicht getrübt, aber „es hätte mehr sein können“, sagt klar und deutlich die Vorstandsvorsitzende Dorothea Stabolewski. Seit sie an die Spitze des Unternehmens gewählt wurde, hat sie mit vielen Firmenchefs gesprochen und festgestellt: Es fehlt an Wohnungen, selbst Ferienwohnungen würden von Firmen für ihre Mitarbeiter geblockt. „Auch einige unserer Mitarbeiter nehmen morgens weite Anfahrten in Kauf. Sie suchen dringend Häuser, finden aber nichts.“

Schlecht aber war das vergangene Geschäftsjahr 2018 sicher nicht. Das private Darlehens-Neugeschäft hatte ein Volumen von rund 18,6 Millionen Euro. Das waren 142 Vertragsabschlüsse mit einem durchschnittlichen Volumen von 130.000 Euro je Finanzierung. Das Geld wurde gebraucht für Modernisierung, Renovierung, den Kauf oder Bau einer Immobilie.

Etwas mehr als die Hälfte, nämlich 77, dieser Vertragsabschlüsse waren reine Immobilienfinanzierungen mit einem Volumen von 15,6 Millionen Euro. Der durchschnittliche Darlehensbetrag lag da bei 202.000 Euro. Michael Scholz, Sprecher der Sparkasse, hatte Vergleichszahlen: „2016 lag das Volumen je Vertrag bei durchschnittlich 138.000 Euro, 2017 schon bei 176.000 Euro.“ Das bedeutet eine Steigerung von 2016 auf 2017 um 128 Prozent, von 2017 auf 2018 nochmals um 115 Prozent. Im Klartext: Immobilien werden teurer.

70 Prozent der Immobilienkunden nutzen ihre Immobilie selbst. Die Sparkasse hat darauf reagiert und einen Immobilienmakler eingestellt. Die Vorstandsvorsitzende: „Er ist gut vernetzt und hilft den Kunden.“ Was aber wird gebaut oder gekauft? In Hückeswagen werden derzeit hauptsächlich Eigentumswohnungen verkauft, was in Radevormwald aktuell nicht der Fall ist.

Dorothea Stabolewski zählt die Städte Radevormwald und Hückeswagen noch zum Speckgürtel der Großstädte. Manche Firmenmitarbeiter würden Fahrzeiten von 60 Minuten und mehr in Kauf nehmen, weil sie hier nichts finden würden. Deshalb müsse in den beiden Städten dringend etwas passieren, um die Standorte auch für Firmen und deren Mitarbeiter attraktiver zu machen: „Die Mitarbeiter müssen, ja sie wollen hier wohnen, erfahre ich in meinen Gesprächen. Deshalb muss Bauland ausgewiesen werden.“

Sie kämpft inzwischen für Karthausen, hat bereits eigene Ideen für dieses Baugebiet entwickelt. 300 Baupläne könnten dort entstehen. Ihre Idee, die sie gern verfolgen würde: Ein Musterhaus in Karthausen bauen, wo Sparkasse, Volksbank und Handwerker sich präsentieren können. „Damit haben wir den Fuß in der Tür und können Bauwilligen helfen.“ Sie hat bereits Vorratsbausparverträge in Höhe von 20 Millionen Euro für diese Kunden gesichert, damit sie günstig bauen können.

Aber ihre Vorstellung gerade für die Standorte Radevormwald-Hückeswagen geht weiter. „Warum bauen oder kaufen Großunternehmen nicht für ihre Mitarbeiter oder Top-Manager Immobilien, die sie vermieten?“ Damit könnten sicher Fachkräfte angeworben werden. „Vor 40 Jahren gab es in den Ballungsgebieten diese Werkswohnungen. Warum greift man diesen Gedanken nicht auf? Baut Häuser oder Wohnungen?“ Die Sparkasse Radevormwald-Hückeswagen denke offen darüber nach, Mietwohnungen zu bauen. „Das ist eine Investition“, sagt Dorothea Stabolewski, denn die Zinsen seien niedrig. „Wir müssen schon überlegen, wie und womit wir unser Geld verdienen.“ Bei der Bundesbank müsse die Sparkasse derzeit 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. „Eine Zinsphase mit sieben oder acht Prozent wird es wohl nicht mehr geben“, so ihre Einschätzung.

Je nach Laufzeit biete die Sparkasse derzeit bei der Immobilienfinanzierung einen Zinssatz zwischen ein bis zwei Prozent an. Und das bei einer maximalen Laufzeit zwischen zehn und 15 Jahren. Mehr könne die Sparkasse nicht leisten, für längere Laufzeiten arbeite sie aber mit einem Versicherer zusammen, der Laufzeiten bis 30 Jahre ermögliche – über Lebensversicherungen. Die Vorstandsvorsitzende geht derzeit auch nicht davon aus, dass sich die Niedrigzinsphase maßgeblich verändern werde – „jedenfalls nicht in den nächsten fünf Jahren“.

Das Geschäft der Immobilienfinanzierung 2018 bezeichnet sie als zufrieden, das gesamte Kreditgeschäft hätte besser laufen können. Hier hätte es vor allem bei Krediten für Firmen mehr sein können. Die investierten zwar in 2018, aber hatten nach Einschätzung von Stabolewski eine „so gute Liquidität“, dass sie von der Sparkasse keine Finanzmittel benötigten. „Sie haben viele Investitionen aus dem Eigenkapital finanziert. Dass es den Firmen so gut geht, ist natürlich eine gute Nachricht für die Region.“

Gut geht es nach Einschätzung der Vorstandsvorsitzenden auch dem heimischen Handwerk. Die Firmen hätten volle Bücher, was sich dann auch in Preissteigerungen ausdrücke.

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