Heimat-Serie Radevormwalds „gute Stube“
Radevormwald · Das bergische Schieferhaus im Ortskern an der Burgstraße Nr. 8 ist ein bauliches Juwel. Im Inneren gibt es unter anderem die Bürgermeistergalerie.

Heimatserie 2019 - Haus Burgstraße 8 in Radevormwald. Das altbergische Haus mit dem schlichten Namen "Haus Burgstraße 8" dient seit mehr als 40 Jahren seiner heutigen Bestimmung. Trotz seiner einfachen Bezeichnung hat sich das Gebäude in dieser Zeit einen Namen gemacht, ist es doch die "gute Stube" der Stadt für Empfänge, Trauungen und dient den Ratsausschüssen als Tagungsstätte. Erworben hat die Stadt das hübsche Haus schon 1975 von der lutherischen Kirchengemeinde, dann fehlte aber zunächst das Geld für notwendigen Renovierungs- und Umbauarbeiten und auch ein Verwendungszweck war zunächst noch unklar. Erbaut wurde die Burgstraße 8 in den Jahren von 1803 bis 1805. Es entstand an gleicher Stelle, wo sich bis zum Stadtbrand 1802 bereits das bisherige Pfarrhaus der lutherischen Kirchengemeinde befunden hatte. Pastoratshaus hieß es dann bei den Radevormwaldern, weil es von 1805 bis 1943 ausschließlich von Pfarrern der Kirchengemeinde bewohnt worden war. Damals war hinter dem Pfarrhaus noch ein Stall, in dem Kühe und Pferde untergebracht waren, später wurde dieser Stall zu einem Unterrichtsraum für Konfirmanden umgestaltet.Heute ist die Burgstraße 8 zu einem Zentrum der Kommunalpolitik geworden. Hat es in fast zwei Jahrhunderten viel von der Radevormwalder Stadtgeschichte erlebt, wird diese heute in ihr gestaltet und fortgeschrieben
Foto: Moll, Jürgen (jumo)Das Haus Burgstraße 8 bezeichnet man als Wohnzimmer der Stadt Radevormwald, aber warum ist das eigentlich so? Heimathistoriker Bernd Klüting kennt das Haus gut und die meisten Geschichten zu den einzelnen Epochen sowie zu dem Inventar des Hauses.
Der Ursprung des Hauses geht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Damals, 1713, wurde es als bescheidenes Pfarrhaus genutzt. 1802 musste die Burgstraße 8 nach dem großen Stadtbrand neu aufgebaut werden. Das Haus, das heute als Wohnzimmer der Stadt bekannt ist, wurde auf dem alten Fundament errichtet. „Der Park, der heute als Nowy Targ Park bekannt ist, war damals der Garten des Pfarrhauses, der von einer hohen Steinmauer umgeben war“, sagt Bernd Klüting. Heute ist eine beeindruckende Blutbuche das Herzstück des Gartens, auf den man durch die Fenster des Hauses blickt. Der Baum wurde 1805 nach dem Stadtbrand gepflanzt und prägt den Teil der Innenstadt seitdem maßgeblich. Nach dem Wiederaufbau der Burgstraße 8 wurde das Haus bis 1943 erneut zu dem Haus der evangelischen Gemeinde. Das änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg. „Das Haus wurde zu der Unterkunft für ausgebombte Bürger und war damit das Zuhause von vielen. Danach war das Haus Teil des Gemeindeamtes“, weiss Bernd Klüting. Nachdem das Haus kurze Zeit im Privatbesitz der Firma Lahme war, kaufte die Stadt das Haus 1975 zurück und renovierte es bis 1977 aufwendig. Der doppelseitige Treppenaufgang, der das typisch Bergische Haus, mit geschieferter Fassade und grünen Schlagläden, begehbar macht, wurde erst damals umgesetzt. Vorher war das Haus nur über eine Treppe zu erreichen. Nachträgliche bauliche Änderungen beziehen sich außerdem auf den Dachgiebel. „Der Dachgiebel war ursprünglich eckig, heute ist er rund mit einem Kurfürstenhut“, sagt Klüting. Das ovale Fenster im Giebel des Daches ist auch erst kurz nach 1975 eingebaut worden. Dabei handelt es sich um ein Überbleibsel eines ehemaligen Geschäftshauses in Radevormwald der Fima Rocholl.
Im Haus selber werden alle Besucher von einer großzügigen Eingangsdiele begrüßt, unter der sich ein langer Gewölbekeller befindet. Der Treppenaufgang im klassischen Stil erinnert an den die Orgel-Balustrade der lutherischen Kirche an der Burgstraße. Im Erdgeschoss gibt es mehrere Zimmer, die heute von den Fraktionen der Stadt für Besprechungen und als Büros genutzt werden, das Obergeschoss besteht neben der Diele aus einem großen Raum. Dort finden standesamtliche Trauungen, Ausschusssitzungen sowie offizielle Besuche statt. Das wichtigste Inventar des Hauses sind die Portrait-Aufnahme aller Radevormwalder Bürgermeister sowie historische Landkarten von Fritz vom Stein. Die Standuhr aus dem Jahr 1797 gehörte dem Urgroßvater des Künstlers Paul Wellershaus und ist heute im Besitz der Stadt. Ein Stück, das ebenfalls fest in das Wohnzimmer Radevormwalds gehört, ist die schwere Holztruhe, die im Eingangsbereich des Hauses steht. „Ich kenne das Haus nicht ohne diese Truhe“, sagt Bernd Klüting.
Das Haus Burgstraße 8 wurde in den vergangenen Jahrzehnten unter anderem von Helmut Kohl und Johannes Rau besucht.