Radevormwald Haft für Vergewaltiger eines 16-jährigen Schülers

Radevormwald · Zweieinhalb Jahre Gefängnis für 58-Jährigen, der einen minderjährigen Freund der Familie zum Oralsex genötigt hatte.

Etwa 75 Prozent der Täter einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung stammen aus der Familie oder dem Freundeskreis des Opfers. So auch bei der Tat in Radevormwald. Am vierten Verhandlungstag fällte das Schöffengericht in Wipperfürth ein Urteil im Prozess um die Vergewaltigung eines damals 16-jährigen Schülers.

Der Angeklagte, ein 58-Jähriger und guter Freund der Familie, wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Während die Familie des Angeklagten das Urteil äußerlich emotionslos entgegennahm, rollten auf der Gegenseite Tränen. Der Geschädigte weinte ebenso wie seine Mutter, die im Anschluss an die Verhandlung zusammenbrach. Eine kurze verbale Anfeindung zwischen den Angehörigen beider Parteien unterband der Richter. Polizeibeamte standen bereit. Zunächst begann die Verhandlung mit ausführlichen Plädoyers. "Nach Ergebnis der Beweisaufnahme hat sich die Tat so zugetragen wie in der Anklageschrift geschildert", sagte der Staatsanwalt und forderte eine dreijährige Haftstrafe.

Zum Hintergrund: Der 58-jährige Nennonkel hatte den heute 18-jährigen Schüler zum Oralverkehr in seiner Wohnung gezwungen. Er hatte das Vertrauen des damals 16-Jährigen, der in einer massiven Krise steckte, schwer missbraucht. Kurz zuvor hatte er seinen Eltern gestanden, dass er homosexuelle Neigungen habe. Seine türkische Familie wollte das nicht dulden und versuchte, ihn mit allen Mitteln von seiner Neigung abzubringen. Auch Schläge und Ehrenmord-Drohungen soll es gegeben haben. Der Schüler vertraute sich dem Nennonkel an, bis es zu der schweren sexuellen Nötigung im April 2014 kam. Als Beweismittel dienten Spermaspuren auf dem T-Shirt des Geschädigten. Die DNA-Analyse bestätigte das Sperma des 58-Jährigen. Eine Sachverständige erklärte in ihrem Gutachten, die Aussage des 18-Jährigen sei hoch qualifiziert. Dem Geschädigten sei nicht zuzutrauen, dass er alles frei erfunden habe.

Genau das behaupteten aber der Angeklagte und sein Verteidiger. Der Schüler hätte die Spermaspuren aus einem gebrauchten Kondom selbst auf das Shirt gebracht. Dem Gericht fehlte für diese Behauptung jedoch jegliches Motiv. Weitere Zeugen hatten ausgesagt, dass sich der Schüler am Tag nach der Tat traumatisiert verhalten und den Missbrauch detailliert und unter Tränen geschildert habe - darunter ein Lehrer, ein Schulpädagoge und eine Mitarbeiterin des Rader Jugendamtes. Letztere nahm den Geschädigten nach dessen Anzeige bei der Polizei in Obhut.

Das Schöffengericht berief sich bei der Urteilsbegründung auf das Gutachten, die Zeugenaussagen und das fehlende Motiv für eine Straftatvortäuschung. Strafmildernd berücksichtigte der Richter, dass der Angeklagte bisher keine Vorstrafen und die Tat offensichtlich nicht geplant hatte. Neben dem Urteil hält das Gericht das von der Nebenklage geforderte Schmerzensgeld in Höhe von 7000 Euro für gerechtfertigt.

Der verurteilte Mann konnte den Gerichtssaal noch als freier Mann verlassen. Sein Verteidiger ließ offen, ob er Berufung einlegen wird. In seinem einstündigen Plädoyer bemängelte er vor allem das psychiatrische Gutachten. "Es ist nicht mal ansatzweise eine wissenschaftliche Arbeit und beinhaltet keine Standardwerte wie Intelligenztest oder den Verdacht auf eine Borderline-Erkrankung. Es müsste von Amts wegen neu beantragt werden", sagte er und äußerte scharfe Kritik an der Arbeit der Diplom-Psychologin.

(heka)
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