Radevormwald Erst der Mauerfall ermöglichte die Globalisierung

Radevormwald · Die Pfarrerin und CDU-Landtagsabgeordnete Christine Lieberknecht bei "Kirche im Gespräch" der Martini-Gemeinde.

Die ehemalige Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht, war am Mittwochabend innerhalb der Vortragsreihe "Kirche im Gespräch" zu Gast bei der Martini-Gemeinde. Sie hielt einen engagierten Vortrag im Gemeindehaus an der Uelfestraße zu dem Thema "Friedliche Revolution 1989 - Vorbotin heutiger Veränderungen?"

Für sie persönlich war 1989 nicht nur das Jahr der friedlichen Revolution, sondern auch der Eintritt in ihre politische Laufbahn. Bis 1990 war die Politikerin Pastorin der Evangelischen Kirche, seit 1991 ist sie Abgeordnete des Weimarer Landkreises im Thüringer Landtag. "Mit dem Mauerfall ist die Globalisierung möglich geworden", sagte sie. Die Möglichkeit, zu jedem Zeitpunkt die Geschehnisse auf der anderen Seite der Welt in Echtzeit verfolgen zu können, führte sie als einen der Gründe für die momentane Flucht- und Migrationswelle an. "Menschen wollen die Unterschiede zur westlichen Welt nicht länger hinnehmen", sagte Lieberknecht. Sie ordnete die jetzige Situation zu Beginn ihres Vortrages in Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte ein. "Neben der Globalisierung wird die Heimatzugehörigkeit bedeutender. Heimat spielt eine große Rolle - und diejenigen, die ihre Heimat verlassen haben, brauchen eine neue."

Den Umfang mit den Flüchtlingsströmen in Deutschland teilte sie in Stärken und Schwächen ein. "Deutschland hat Problemmanagementqualitäten bewiesen, hat eine starke humanitäre Hilfe dank Vereinen, Organisationen und Gemeinden und ist ein solidarisches Land." Die Rechts- und Verwaltungssicherheit, die Leistungsfähigkeit der Mittelständler und das duale Ausbildungssystem gehören für Lieberknecht ebenfalls zu den Stärken Deutschlands. "Deutschland ist mit Vertrauen in die Menschen groß geworden - und das muss beibehalten werden."

Auch die Schwächen des Landes formulierte sie deutlich. "Wir haben ein Problem, unsere Interessen klar zu formulieren. Auf der anderen Seite müssen wir den missionarischen Geist im Blick auf andere Länder ablegen."

Ihr Lösungsansatz für die jetzige Krise beruht auf Erinnerungen, Ertüchtigung und Ehrlichkeit. "Wir müssen uns daran erinnern, dass nichts in unserem Land voraussetzungslos war und dürfen unsere grundlegenden Werte nicht vergessen. Der Staat und die Gesellschaft muss sich ertüchtigen, sich gegenseitig den Rücken stärken und innere Sicherheit aufbauen", sagte sie. Ehrlichkeit, in Form von Authentizität, sei noch nie wichtiger gewesen.

Das Publikum nutzte nach ihrem dichten Vortrag die Gelegenheit, um mit der Politikerin ins Gespräch zu kommen. Pfarrerin Manuela Melzer von der Lutherischen Gemeinde schilderte ihre Angst um die Spaltung der Gesellschaft. "Deutschland ist solidarisch, das stimmt, aber nach der großen Hilfe entwickelt sich jetzt Angst und Skepsis."

Pastor Johannes Dress von der Martini-Gemeinde teilt diese Sorge. "Wir kommen teilweise nicht mehr an die Menschen ran", sagte er. Christine Lieberknecht rät, mit klar gesetzten Zielen und persönlicher Autorität gegen diese Entwicklung zu steuern.

(trei)
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