Nach der Katastrophe im Juli 2021 Beyenburg erinnert eindringlich an die Flut

Beyenburg · Mit einem Fest an der Wupper begehen die Radevormwalder Nachbarn den Jahrestag des Hochwassers. Es ist eine eigenartige Gefühlslage, die am Samstagnachmittag vorherrscht.

 Viele Menschen waren zum Flutgedenkfest nach Beyenburg gekommen. Es gab auch kritische Stimmen.

Viele Menschen waren zum Flutgedenkfest nach Beyenburg gekommen. Es gab auch kritische Stimmen.

Foto: Theresa Demski

Die Wupper plätschert am Samstagnachmittag gemütlich in ihrem Bett. „Kaum zu glauben“, flüstert ein Mann am Ufer, „es ist kaum zu glauben.“ Und doch haben die Menschen in Alt-Beyenburg die Szenen noch genau vor Augen – als die Wupper zum reißenden Strom wurde, Haus und Hof und am Ende sogar Leib und Leben bedrohte. Ein Jahr danach treffen sie sich am Wupperufer wieder. Viele sind zum Feiern gekommen – auch Freunde aus den benachbarten Dörfern, die die Flut ebenfalls hart getroffen hat.

Es ist eine eigenartige Gefühlslage, die hier am Samstagnachmittag vorherrscht. „So lange wir feiern können, feiern wir“, sagt Bezirksbürgermeister Andreas Bialas. Viele Vereine ziehen dafür an einem Strang – die einen haben Kuchen gebacken, die anderen kümmern sich um den Getränkewagen, es gibt bunte Cocktails und Essen, das satt macht. Die Kinder und Jugendlichen sind zu abwechslungsreichen Aktionen eingeladen. Und an den Biertischen kommen die Menschen schnell ins Gespräch.

Im Gottesdienst mit Pfarrer Kai Berger und Bruder Dirk, der den Auftakt zum Erinnerungsfest macht, klingen aber eben auch noch ganz andere Gefühle an. „Das Hochwasser hat Spuren hinterlassen“, sagt Wuppertals Oberbürgermeister Uwe Schneidewind. Und er weiß, dass diese Spuren auch mit der Wut auf bürokratische Grenzen und die Wasserwirtschaft zu tun haben. „Zurück geblieben sind viele Traumatisierungen“, sagt Schneidewind. Bezirksbürgermeister Andreas Bialas wird deutlicher: „Wenn man sich ein Jahr nach der Katastrophe selber einen Persilschein ausstellt, dann ist das unanständig“, sagt er – wohl mit Blick auf den Wupperverband. Und die Menschen stimmen ihm lautstark zu. „Fehler dürfen gemacht werden“, ergänzt er dann, „aber wo es überhaupt keine Einsicht gibt, da kann kein Vertrauen wachsen.“

Und genau dieses Vertrauen hätten die Menschen in den Wupperdörfern nun so dringend nötig. „Wir haben ein Recht auf Schutz“, ruft Bialas, „wir brauchen das Gefühl, in unserem Zuhause sicher zu sein. Die Katastrophe darf sich nicht wiederholen.“ Der Ort steht hinter ihm und seinen klaren Worten, das ist deutlich spürbar. Bundestagsabgeordneter Helge Lindh bringt eine Entschuldigung mit: „Stellvertretend“, sagt er. Vieles sei im Vorhinein vernachlässigt worden, und Zusagen nach dem Hochwasser seien nicht immer gehalten worden.

Es ist aber noch ein anderes Gefühl, das an diesem Nachmittag über dem Erinnerungsfest in Beyenburg liegt: das Gefühl von Zusammenhalt. „Wir wollen diesen Jahrestag für den Austausch nutzen“, hatte der Oberbürgermeister gesagt, „und um uns unserer größten Kraftquelle zu versichern: unserer Solidarität.“

So erinnern die Beyenburger an diesem Nachmittag auch an Arne Aust, der nach der Flut den Bundeswehreinsatz im Ort organisiert hatte und im Juni überraschend mit 46 Jahren gestorben war. Und sie feiern ihren Bruder Dirk – den letzten Mönch im Kloster Steinhaus, der die Sturmglocke läutete, einer von ihnen ist und nach der Flut nicht nur die Soforthilfe koordinierte. Sie feiern auch die Gemeinschaft – das „Beyenburg-Erlebnis“ nennt Lindh diese Solidarität, die auch ein Jahr danach spürbar ist. Am Nachmittag schicken die Kinder gelbe Enten für ein Rennen über die Wupper. Es wirkt fast ein bisschen wie eine Versöhnung mit dem Wasser.

(resa)
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