Johannes Meier-Frankenfeld Bergische Jäger fürchten die Schweinepest

Radevormwald · Johannes Meier-Frankenfeld ist Leiter des Hegerings Hückeswagen. Seit 1984 ist er Jäger. Er spricht über die Wildschweinpopulation im Bergischen Land und welche Gefahren bei einem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest drohen.

 Führende Bachen, also Muttertiere mit Frischlingen bis zu 25 Kilogramm, sind von der Aufhebung der Schonzeit ausgenommen.

Führende Bachen, also Muttertiere mit Frischlingen bis zu 25 Kilogramm, sind von der Aufhebung der Schonzeit ausgenommen.

Foto: van Offern

Herr Meier-Frankenfeld, wie viele Wildschweine werden in Ihrem Hegering eigentlich geschossen?

Meier-Frankenfeld Es gibt ja für jedes Jahr die sogenannte Streckenliste. Ich habe die Streckenliste für den Hegering Hückeswagen für die vergangenen zehn Jahre hier vorliegen. Da kann man sehen, dass wir 1997/1998 15 Wildschweine geschossen haben, 2003/2004 waren es schon 52. Es schwankt allerdings, so waren es 2004/2005 wieder nur 15. Aber insgesamt steigt die Zahl: 2008/2009 auf 69, 2012/2013 auf 93. Und zum 31. Dezember 2017 waren wir bereits bei 115 Wildschweinen - das Jagdjahr geht aber bis April. Ich rechne damit, dass in diesem Jagdjahr 150 Sauen geschossen werden.

Warum steigt die Zahl?

Meier-Frankenfeld Zunächst haben wir viele milde Winter gehabt. Dazu kommt das steigende "Nahrungsangebot" an Mais. Auch Eicheln und Buchäckern sind in Mengen vorhanden - man kann also sagen, dass wir hier fast ideale Bedingungen fürs Schwarzwild haben. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm gewandelt. Ich habe vor 25 Jahren in Wipperfeld gejagt. Da war es etwas Besonderes, wenn wir mal ein Wildschwein zu Gesicht bekommen haben.

Wie wirken sich die steigenden Zahlen konkret aus?

Meier-Frankenfeld Die Landwirte merken das ganz konkret, die sind die Leidtragenden. Wiesen werden umgepflügt, Mais wird gefressen und kaputt gemacht. Man sieht das dann zum Beispiel an der Bever. Da sind Wiesen, die wir Jäger mit der Hacke hergerichtet haben, am nächsten Tag wieder umgewühlt.

Was können die Jäger dagegen machen?

Meier-Frankenfeld Die Jäger sind zum Wildschaden-Ersatz verpflichtet. Was also Wildschweine in Feld und Flur an Schäden anrichten, muss der Jagdpächter aus eigener Tasche bezahlen. Da gibt es keine Versicherungen. Die Wiesen müssen wieder so hergerichtet sein, wie sie vorher waren. Und wenn das Wildschwein die Kartoffeln auffrisst, muss der Jagdpächter die Kartoffeln bezahlen. Genauso ist es mit Hafer, Gerste und so weiter. Da kommt dann der Wildschaden-Schätzer ins Spiel, ein örtlicher Landwirt, der zwischen den beiden Parteien vermittelt.

Wie sieht die rechtliche Situation aus - besteht Änderungsbedarf?

Meier-Frankenfeld Mit dem 4. Januar wurde die Schonzeit für Schwarzwild durch die Landesregierung aufgehoben. Ausnahmen sind nur führende Bachen, also Muttertiere mit Frischlingen bis zu 25 Kilogramm. Die sind zu schonen, Verstöße sind eine Straftat. Die Schonzeit wurde aufgehoben, weil es so viele Tiere gibt. Hintergrund war auch, dass es gerade im Münsterland so viele Schweinemastbetriebe gibt. Und die neue Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking kommt ja aus einem Schweinemastbetrieb - sie weiß um die Gefahren, die etwa bei einem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest drohen. Insgesamt sind wir aber mit der Neuregelung zufrieden, auch wenn der einzelne Jäger gefordert ist, genau hinzusehen. Denn wie gesagt: Muttertiere sind tabu - nur eben nicht eindeutig zu erkennen.

Afrikanische Schweinepest. Ist sie im Bergischen auch ein Thema?

Meier-Frankenfeld Natürlich ist es auch im Bergischen Land ein Gesprächsthema. Es sind auch Szenarien von Kreisveterinärämtern entwickelt worden, was bei einem Ausbruch passiert. Wir Jäger sind da noch nicht involviert, sondern werden das erst auf Anordnung der Veterinärämter. Aber natürlich sprechen wir darüber. Es ist auch nicht mehr die Frage, ob sie kommt, sondern wann sie kommt. Das Problem ist ja auch nicht das Schwein selbst, denn das läuft ja nicht infiziert von Polen ins Bergische. Aber wenn dann der Lkw-Fahrer aus Polen kommt und die Reste seines Schinkenbrötchens in den Mülleimer an der Raststelle Remscheid wirft und der Schinken ist infiziert, dann infiziert sich das Schwein sofort, wenn es die Reste frisst.

Welche Rolle spielen die Wildschweine bei der Übertragung?

Meier-Frankenfeld Sie laufen ja draußen frei hin und her, ob infiziert oder nicht. Und können so die Krankheit auf den Hausbestand übertragen. Auch der Mensch spielt hier eine Rolle. Denn die Übertragung kann etwa passieren, wenn ich als Jäger ein infiziertes Wildschwein geschossen habe und im Anschluss zu Bauer XY in den Schweinestall gehe. Dann übertrage ich das Virus. Oder wenn im Ausland gejagt wird, etwa in Tschechien, und der Jäger hatte Kontakt mit einem infizierten Schwein und sich nicht gut genug desinfiziert, dann schleppt er die Schweinepest hier ein. Denn das Virus ist hartnäckig und kann etwa im Schweineschinken über ein halbes Jahr überleben.

Was muss Ihrer Meinung nach hier getan werden?

Meier-Frankenfeld Wir können nur den Bestand runterfahren. Der Bauernverband fordert etwa von den Jägern, den Schwarzwildbestand um 70 Prozent zu reduzieren. 2016/2017 haben wir in Deutschland 600.000 Wildschweine geschossen. Der Frühjahrsbestand liegt bei etwa 300.000 Tieren - wir sind da bei 50 Prozent. Und das muss noch weiter runtergefahren werden. Nur: Wir sind ja nicht alle Berufsjäger oder Rentner wie ich. Meine Jagdkollegen müssen größtenteils morgens um sieben Uhr im Büro sitzen - und Wildschweine schießt man in der Regel nachts. Von dem her: Es ist eine enorme Aufgabe, die da vor der Jägerschaft liegt. Es spielen aber viele Faktoren eine Rolle. Die Jägerschaft ist jetzt nicht der Buhmann der Nation, wir Jäger haben nicht das gesamte Ausmaß zu vertreten.

Was passiert im Falle eines Ausbruchs?

Meier-Frankenfeld Deutschlandweit stehen Milliardenschäden im Raum. Im Fall des Falles werden Pufferzonen eingerichtet. Die Zonen können bis zu 70 Kilometer groß sein. Es gibt einen Maßnahmenkatalog, der je nach Jahreszeit und Umgebung umgesetzt werden muss.

Gibt es dabei Betriebe, die besonders betroffen sind?

Meier-Frankenfeld Der Bio-Betrieb, der seine Tiere in der freien Natur hält, wird am meisten betroffen sein. Die großen Mastbetriebe im Münsterland sind hermetisch abgeriegelt. Das hatten wir ja vor einigen Jahren schon mal, als es einen Schweinepest-Verdacht gab. Da kommt keiner mehr rein, ohne vorher desinfiziert zu werden. Das kann der Bio-Betrieb natürlich nicht machen. Und wenn die Krankheit ausbricht, müssen die Tiere alle gekeult werden.

Machen Sie sich Sorgen?

Meier-Frankenfeld Ich mache mir große Sorgen. Vor allem wegen der Schweinemastbetriebe, denn da hängen ganze Existenzen dran. Ich habe auch Verwandtschaft im Münsterland, die einen Betrieb hat. Wenn wir die Schweinepest bekommen, dann bricht hier der Markt zusammen. Denn wir sind das größte Exportland an Schweinen. Als damals der Verdacht auf Schweinepest war, sind die Containerschiffe auf dem Meer umgedreht. Es wäre verheerend für die etwa 24.000 Schweinemastbetriebe in Deutschland.

DAS INTERVIEW FÜHRTE WOLFGANG WEITZDÖRFER

(RP)
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