Radevormwald Angeklagtem können Schläge nicht nachgewiesen werden - Freispruch

Radevormwald · Der Richter brachte das Dilemma in seiner Urteilsbegründung vor dem Amtsgericht Wipperfürth sehr eindeutig auf den Punkt: "Es kann alles so passiert sein, wie die vier Zeugen ausgesagt haben. Genausogut aber auch so, wie es der Angeklagte und seine Ex-Verlobte geschildert haben. Ich bin schlicht und einfach nicht davon überzeugt, dass Ersteres der Fall ist. Und das muss ich, um den Angeklagten zu verurteilen. In diesem Fall gilt der Rechtsgrundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. Er ist also freizusprechen."

Vorausgegangen war eine zweistündige Verhandlung, in der die Geschehnisse in einer Wohnung in Radevormwald vom 31. August 2014 aufgeklärt werden sollten. Deren Folge: ein gebrochenes Nasenbein einer 26-Jährigen aus Stuttgart und eine zerbrochene Freundschaft von vier jungen Stuttgartern und zwei jungen Radevormwaldern.

Angeklagt war ein 27-jähriger CAD-Konstrukteur aus Stuttgart, der mit seiner damaligen Verlobten (24) zu Besuch bei Freunden in Rade war. Nach einem, so der allgemeine Tenor der Beteiligten, schönen Abend in einem Lokal in der Radevormwalder Innenstadt, ging die Gruppe von sechs jungen Erwachsenen in die Wohnung des Onkels der Geschädigten, die ebenfalls aus Stuttgart kam. Dort eskalierten die Dinge - nur in welche Richtung, das ließ sich eindeutig nicht mehr aufklären.

Klar war zunächst nur eines: Es war Alkohol im Spiel. Nicht übermäßig viel, das betonten alle sechs, die auch als Zeugen gehört wurden, aber doch genug, um gewisse Hemmschwellen abzusenken. Zwischen dem Angeklagten und dem 23-jährigen Freund der Geschädigten soll es in der Folge zu gegenseitigen Sticheleien gekommen sein, die sich um Finanzen und das jeweilige Liebesleben drehten: "Typischer Konkurrenzkampf zwischen Männern", beschrieb es die 26-Jährige, wohl aber eingefärbt durch den Alkohol, denn: "Über diese Themen streite ich doch nicht im klaren Kopf mit meiner Freundin."

Wie es dann jedoch zu den Schlägen kam, die zum Nasenbeinbruch führten, ließ sich auch durch zähes Nachfragen des Anwalts nicht mehr genau feststellen. Die vier Zeugen, der Bruder der Geschädigten und seine Freundin, beide aus Hückeswagen, legten sich darauf fest, dass der Angeklagte die Geschädigte geschlagen habe, gaben allerdings widersprüchliche Angaben zur Schlaghand. Der Angeklagte betonte, er habe nicht zugschlagen, es sei vielmehr ein fehlgeleiteter Schlag seines Konkurrenten gewesen, der dessen Freundin getroffen habe. Diese Version bestätigte später auch die Ex-Verlobte des Angeklagten.

Diese unterschiedlichen Angaben brachten den Richter zu seinem unspezifischen Urteilsspruch: "Wir haben fünf Zeugen gehört, die alle von sich sagen, Augenzeugen gewesen zu sein. Eine gewisse Lagerbildung - vier zu eins - ist jedoch auch nicht von der Hand zu weisen - zumal die beiden Rader Zeugen gar nicht als solche geladen waren, dann aber doch eine Aussage machen wollten. Allerdings waren die Zeugenaussagen auch allesamt nicht schlecht und insgesamt glaubwürdig." Dennoch folgte der Freispruch. "Denn ich muss von Ihrer Schuld überzeugt sein. Und nicht davon, dass beide erzählten Versionen richtig sein könnten", sagte der Richter.

(wow)
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