Letzter Schultag Zwischen Wehmut und Begeisterung

Neuss · Joachim Rothmann sieht den Ferien mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn nach 37 Jahren kommt er aus diesem Urlaub nicht mehr an das Gymnasium Norf zurück.

Joachim Rothmann sieht den Ferien mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn nach 37 Jahren kommt er aus diesem Urlaub nicht mehr an das Gymnasium Norf zurück.

Am Mittwochabend lag Joachim Rothmann lange wach. Er musste die Verabschiedungsfeier verarbeiten, die Kollegen und Schüler für ihn auf die Beine gestellt hatten. Angst habe er vor diesem Termin gehabt, gibt der stellvertretende Schulleiter zu, doch die Zuneigung sei überwältigend gewesen. Es war ein großer Bahnhof für einen Lehrer, der eigentlich keiner ist - und es doch 37 Jahre lang am Gymnasium Norf begeistert war.

Der heutige letzte Schultag ist Rothmanns letzter Schultag überhaupt. Lange schon weiß der 63-Jährige, dass nun ein neuer Lebensabschnitt beginnt, und ein bisschen ist er auch froh darüber. Doch wenn er zu erzählen beginnt und Worte wie "mein Lebenswerk" sagt, wird klar: Ganz einfach fällt dieser Abschied nicht.

Seine Eltern wurden aus Schlesien vertrieben, er selbst 1951 in Paderborn geboren. Aufgewachsen in kleinen Verhältnissen, wie Rothmann sagt, war er immer überzeugt: Ein Kind, das an "sein" Gymnasium kommt, muss eine echte Chance bekommen. Einen Satz wie "Der gehört nicht hierher" dachten Kollegen deshalb besser nur oder sprachen ihn aus, wenn Rothmann nicht in der Nähe war.

Mathematik wollte Rothmann studieren, von Lehrer werden war nie die Rede. Dabei unterrichtete er immer. In der Schule gab er Mitschülern Nachhilfe, wenn eigentlich Schulgottesdienst war. Als Student und Tutor half er Kommilitonen aus dem Fach Maschinenbau auf die Sprünge. Mit Abschluss als Diplom-Mathematiker wollte er erst zur Computerfirma Nixdorf gehen und kam dann - mit Sondergenehmigung und ohne Pädagogikstudium - doch in den Schuldienst. Seine erste Stelle suchte und fand er 1978 in Norf. "Ich wollte an eine Schule im Aufbau", sagt er.

Mathematik war seine Fach, Informatik kam hinzu. Anfang der 1980er-Jahre führte er dieses Fach am Gymnasium Norf ein, heute ist es zentraler Bestandteil des Schulprofils. Computer, so war Rothmann überzeugt, bieten viel Potenzial, um Schule gut zu organisieren. Er behielt Recht. Das "Pädagogische Netz" der ITK Rheinland, an dem heute Computer in fast allen weiterführenden Schulen hängen, geht auf eine Arbeit aus einem Norfer Informatik-Kursus zurück. Das erfüllt den Lehrer noch heute mit Stolz.

An der Mathematik begeistert ihn nach wie vor die Klarheit, die "Attraktivität des Abstrakten" - und die Tatsache, dass sie Schülern Chancen eröffnet, die in den Sprachen nicht so gut mitkommen. Ihm selbst half das so geschulte Denken in Strukturen, als er stellvertretender Schulleiter wurde und davon zwei Jahre lang kommissarisch alleine Verantwortung trug.

Als Ingenieur hätte er vielleicht mehr verdient, sagt er, aber nicht die Freiheiten genossen, die einem der Lehrerberuf eröffnet. Seine neue Freiheit nutz er nun zunächst, um sein Gartenhaus zu streichen.

(NGZ)
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