Neuss Zwei ziemlich gute Freunde: Der Künstler und der Marketing-Chef

Neuss · Über den Sport-Informations-Dienst haben sich Jochen Gerz und Peter Rebig kennengelernt.

Es war irgendwann Mitte der 1980er Jahre, als die beiden Männer sich über den Weg liefen. Der eine war gerade vom Vater des anderen als kaufmännischer Geschäftsführer in das Unternehmen geholt worden; der andere ein schon hochangesehener Künstler, der mit seinen Projekten und Installationen Aufsehen erregte.

Peter Rebig arbeitet noch heute in Neuss und Jochen Gerz längst in der ganzen Welt. Der Leiter von Neuss Marketing und der deutsche Konzeptkünstler von internationalem Rang mögen vielleicht einen ganz unterschiedlichen Weg gehen — was die beiden über viele Jahre verbindet, ist eine enge Freundschaft. Wann immer Jochen Gerz von Irland aus, wo er heute lebt, oder von sonstwo in der Welt, wo er gerade ein Projekt umsetzt, einen Abstecher ins Rheinland oder wenigstens in die Nähe macht, treffen sich die beiden auf einen Kaffee.

Über ein Thema wird dann allerdings seltener geredet: über Kunst. Für den 1940 geborenen Jochen Gerz hat der 18 Jahre jüngere Peter Rebig "mir damals die Bürde des Nachfolgers abgenommen, und er war die Verbindung zu einer Welt, die ich nicht mehr kannte", sagt er heute. Diese in beider persönlichem Erleben verwurzelte Basis ist noch heute die Grundlage ihrer Beziehung. Dass Jochen Gerz zu den bedeutendsten deutschen Künstlern der Nachkriegszeit gehört, dass sein Werk Literatur, Fotografie und Videos, Installationen, Performance und Konzeptkunst umfasst und er dabei Grenzen in der Kunst wie kaum ein anderer ignoriert hat, weiß Peter Rebig natürlich.

Aber über Kunst reden? Das passiert meist nur, wenn andere dabei sind. Für die Gerz ein Künstler ist, der mit seinen Arbeiten der sogenannten Erinnerungskunst eine neue Bedeutung gegeben hat. Der sie als Dialog und Prozess begreift, der sich Jahre Zeit lässt, um Projekte wie in Bochum der "Platzes des europäischen Versprechens" oder "2-3 Straßen", eine Ausstellung in Städten des Ruhrgebiets, zu realisieren.

Der nicht für Galerien und Museen arbeiten will, sondern sagt, "die Straße ist die schönste Galerie", und für sich beschlossen hat, Aufträge nur unter einer Bedingung zu akzeptieren: "Dass ich nicht weiß, ob ich es kann." Scheitern inbegriffen, denn "ich verstehe unter Kunst auch, dass sie in die Hose geht". Seine Kunst findet in einem öffentlichen Raum statt und "braucht Teilnehmer", sagt er und kommentiert etwa rechtsradikale Beschriftungen auf seinen Mahnmalen mit den Worten: "Die Nähe zur eigenen Meinung ist das Beängstigende, nicht die Distanz." Dann sitzt Peter Rebig immer nur ganz still dabei und bekennt schließlich: "Ich kann nur zuhören und bin ganz fasziniert, was Jochen über seine Arbeit denkt."

Gemeinsamer Ankerpunkt der beiden Männer ist das Neusser Hammfeld. Dort steht das Medienhaus, in das Gerz' Vater Alfons 1977 mit seinem 1945 in Düsseldorf gegründeten Sport-Informations-Dienst (sid) eingezogen war. Damals war Jochen Gerz bereits ein anerkannter Künstler, auf der 37. Biennale 1976 aufgefallen, hatte zuvor mit seinem Projekt "Exit/Dachau" für kontroverse Diskussionen gesorgt. Seinem Vater dürfte also klargewesen sein, dass der Sohn nicht in seine Fußstapfen treten würde. Nicht, dass Jochen Gerz es nicht versucht hätte.

"Ich dachte zunächst ans Schreiben", erzählt er. Obwohl er im Düsseldorf der 1950er und 60er Jahre viele Künstler kennenlernte und "die Leute interessant fand". Als Korrespondent hat anfangs gar gearbeitet, auch Sportberichte für die Agentur des Vaters geschrieben. Und irgendwie blieb da auch etwas hängen, als die Geschwister Gerz 1997 mit dem Freund und Geschäftsführer Peter Rebig zwei Jahre nach dem Tod von Alfons Gerz einen Verkauf des sid planten: Sie entschieden sich gemeinsam für die französische Agentur Agence France Press (AFP). "Sicher auch, weil ich damals in Paris lebte", sagt Jochen Gerz, "die Franzosen als sympathisch und leicht chaotisch und die AFP als etwas anderen Industriebetrieb empfand."

Peter Rebig glaubt zudem, damit im Sinne des Gründers gehandelt zu haben: "Alfons Gerz wollte die Agentur in einem lebendigen Unternehmen sehen." Die Neusser Immobilie blieb damals im Besitz der Geschwister Gerz. Den "Ordre National du Mérite" hatte das Gastland Jochen Gerz da schon verliehen, in Bochum war ihm der "Peter Weiss-Preis" zuerkannt worden, der "Grand Prix National des Arts Visuels" (Paris) und der "Artistic contribution award" beim "Festival of films on art" (Montréal) werden noch folgen. Aus dem Düsseldorfer Jochen Gerz war längst ein internationaler Künstler geworden.

(NGZ/rl/jco)
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