Rhein-Kreis Neuss Zwei Mädchen lesen für den Rhein-Kreis
Rhein-Kreis Neuss · Beim Vorlesewettbewerb der Schulen in der Neusser Stadtbibliothek haben sich Theresa Marschall aus Neuss und Merle Gingter aus Grevenbroich durchgesetzt. Sie treten nun für den Rhein-Kreis auf Bezirksebene an.
Theresa Marschall sitzt an einem schmucklosen Tisch. Ihr Blick fällt noch einmal auf die rund 30 Zuschauer, ehe die 11-Jährige "Das doppelte Lottchen" von Erich Kästner aufschlägt. Konzentriert beginnt sie vorzulesen. Sie weiß worauf es ankommt. "Es muss langsam und deutlich sein", sagt sie danach.
Seitlich von Theresa sitzen drei Lehrer und eine Schülerin und machen sich Notizen. Sie sind die Jury. Denn Theresa liest um die Wette. 24 Sechstklässler aus dem Rhein-Kreis sind zum Vorlesewettbewerb des Börsenvereins in die Neusser Stadtbücherei gekommen. Sie wurden an ihren Schulen als beste Vorleser ausgesucht. Rund zwei Drittel der Schulen im Kreis haben sich beteiligt. Das liegt deutlich über dem NRW-weiten Beteiligungswert (43 Prozent).
Theresa besucht die Klasse 6a des Gymnasium Marienberg. Sie liest viel und gerne. "Ich mag gerne dicke Bücher", sagt sie. Zuletzt die Trilogie "Liebe geht durch alle Zeiten" und die Harry-Potter-Reihe. Nun hat sie drei Minuten Zeit, um die Jury zu überzeugen, dass sie auch gut vorlesen kann. Kästners Roman hat sie selber ausgesucht. Drei Freundinnen von Theresa sitzen im Publikum und drücken die Daumen. Als Theresa fertig ist, sagen sie: "Das hast Du richtig gut gemacht."
Um den Wettbewerb organisatorisch zu bewältigen, gibt es noch eine zweite Gruppen. In beiden soll je ein Gewinner ermittelt werden.
In der ersten Etage sitzt nun also Merle Gingter. Sie liest aus "Der Zauberladen von Appelchros". Die 11-Jährige besucht die 6b des Grevenbroicher Erasmus-Gymnasiums. Auch sie ist leidenschaftliche Leserin. "Ich verzichte lieber mal aufs Fernsehen", sagt sie. Zuletzt lag "Tintenherz" auf dem Nachttisch. Außerdem liest sie regelmäßig die NGZ. Beim Vorlesen sucht Merle den Kontakt zum Publikum. Sie schaut immer mal wieder hoch, dann sind auch ihre drei Minuten um. Die erste Runde ist geschafft - die Kür sozusagen, denn die Bücher für die erste Runde konnten die Schüler selber aussuchen.
Jetzt wartet die Pflicht. Alle Teilnehmer müssen nacheinander aus Lars Grimstads "Finn und die geklauten Kinder" vorlesen. In dem Kapitel beschreibt der Autor einen Festsaal, in dem der Vater eine Rede halten soll. Chinesische Namen sind dabei. "Das war ganz schön schwer", sagt Merle hinterher. Und Theresa gesteht: "Das war schon komisch, und ich war ganz schön aufgeregt." Aber beide haben die Herausforderung sehr gut gemeistert.
Nach kurzer Beratung der Jurys werden die Schüler wieder in den Vorlesesaal gerufen. "Es ist uns schwergefallen, einen Sieger zu ermitteln", sagt Sandra Martin vom Amt für Schulen und Kultur des Rhein-Kreis. Sie hat den Kreiswettbewerb für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels organisiert. "Das Leseniveau war sehr stark", sagt sie hinterher. Dann bekommen die Schüler eine blaue Urkunde, eine Zeitschrift und ein Buch. Schließlich seien "alle hier schon Sieger", sagt Martin.
Nur Theresa und Merle bekommen statt der blauen eine goldene Urkunde. Sie sind Kreissiegerinnen des Vorlesewettbewerbs. Dass Mädchen gewinnen, ist durchaus typisch für den Vorlesewettbewerb. Im Vorjahr waren rund zwei Drittel der Schulsieger Mädchen. "In dem Alter sind die Mädchen einfach weiter als Jungen", sagt Sandra Martin. Allerdings habe sich das Verhältnis danach relativiert: Mit jeder weiteren Ebene stieg der Anteil der Jungen. Im Finale hatte sich das Verhältnis mit zehn Jungen zu sechs Mädchen fast umgekehrt.
Theresa und Merle fahren erstmal zum Bezirkswettbewerb am 12. April in Düsseldorf. Da müssen sie sich dann für den Landesentscheid durchsetzen.
