Interview Martin Maier-Bode Zu wenig Fettnäpfchen für Reiner Breuer

Neuss · Der Beginn des Straßenkarnevals markiert für das Stunk-Ensemble mit Autor und Regisseur Martin Maier-Bode das Ende: Am Sonntag steht die letzte Vorstellung im Zakk Düsseldorf an. Dort gab es auch mehr lokale Spitzen als in Neuss.

Kabarettist und Autor: Martin Maier-Bode.

Kabarettist und Autor: Martin Maier-Bode.

Foto: Kaiser

Herr Maier-Bode, ist Karneval in diesem Jahr mit Blick auf Amerika für Sie als Kabarettist und Autor des Stunk vom Theater am Schlachthof anders als sonst?

Martin Maier-Bode Ja und nein. Für unseren Stunk hat die Wahl von Trump in Amerika eine sehr große Bedeutung. Das gilt mit Sicherheit auch für andere, ich denke da an die Rosenmontagswagen von Jacques Tilly. Ein amerikanischer Präsident, der sich so aufführt und eine solche Außendarstellung liefert - das hat ein sehr große Fallhöhe und ist für jeden, die mit Satire arbeitet, von großer Bedeutung. Ich muss gestehen, dass ich vor der Wahl - auch als ich sah, wer dahintersteckt - wirklich Angst hatte vor dem, was da passiert. Diese Angst ist zwar nicht ganz weg, aber andererseits zeigt sich inzwischen, dass das extreme Auftreten von Donald Trump vor allem mit seiner Persönlichkeit zusammenhängt - was sich in diesem System wohl bald totlaufen wird. Insofern denke ich mittlerweile, dass auch dieses Jahr ein normaler Karneval stattfindet und man entspannt feiern kann.

Feiern Sie auch? Oder ist Karneval für Sie vorbei, wenn am Sonntag der letzte Stunk des TaS im Düsseldorfer Zakk über die Bühne geht?

Maier-Bode (lacht) Dieses Jahr ist das so. Ich bin Karnevalsflüchtling und fahre nach Amsterdam. Aber ich bin wohl zu sehr Rheinländer, mag besonders den Straßenkarneval und schaue mir auch gern den Rosenmontagszug in Düsseldorf an. Aber vielleicht bin ich nicht Rheinländer genug, um jedes Jahr Spaß daran zu haben.

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Foto: Julia Stratmann

Beim Stunk ist auffällig, dass es in Neuss wenig lokalen Bezug gab, während Sie in Düsseldorf Oberbürgermeister Geisel ordentlich durch den Kakao gezogen haben.

Maier-Bode Ja, das stimmt. Ich bin ja immer noch sehr nah an der Stadt dran, aber mit der "Rathauskantine" gibt es vierteljährlich ein Kabarettformat, dass die Neusser Befindlichkeiten aufs Korn nimmt. Wir wollten jedoch keine Wiederholungen von alten Programmen einbauen oder einem neuen vorgreifen. Außerdem kommt noch hinzu, dass sich in der zweiten Hälfe des vergangenen Jahres in der Neusser Politik nicht viel angeboten hat, das sich für den Stunk hätte aufbereiten lassen. Was nicht heißt, dass ein neuer Bürgermeister alles richtig macht, aber gegen die vielen Fettnäpfchen, in die ein Oberbürgermeister Geisel getreten ist, kam Reiner Breuer nicht an.

Die Szene der "Rathauskantine"-Protagonisten Schwaderath und Sülheim über das Schweinefleisch-Verbot im Nordbad war aber doch ein bisschen dürftig.

Maier-Bode Es war auf jeden Fall ein Thema, das die Kollegen emotional sehr bewegt hat, und deswegen haben sie es auch in den Fokus genommen.

Wenn mit der "Rathauskantine" lokales Kabarett schon besetzt ist, hat der Stunk in Neuss aber ein strukturelles Problem.

Maier-Bode Wir müssen zumindest immer gut aufpassen, dass wir nicht Wiederholungen liefern. Ich würde es aber nicht strukturelles Problem, sondern strukturelles Phänomen nennen. Aktuell war es aber wirklich so, dass wir nicht so viele Themen gehabt haben. Hinzu kommt, dass wir uns viele Jahre an einer Partei und deren Bürgermeister, die die Stadt sehr lange beherrscht haben, reiben konnten. Wir kannten die neuralgischen Punkte, wussten, was die Menschen hören wollten und wie sie reagierten. Das war eigentlich wie ein Bayern-Kabarett machen. Im Moment ist es noch so, dass Breuer - zumindest nach außen - geschickter vorgeht. Auf jeden Fall sehr viel geschickter als Geisel in Düsseldorf.

Der Stunk war sehr viel politischer und bissiger als in den vergangenen Jahren. Wie kam das an?

Maier-Bode Es scheint, als ob wir damit einen Nerv getroffen haben. Denn wir haben nach den Sitzungen vielfach gehört: Gut, dass ihr es so und nicht anders gemacht habt.

Ist das auch eine Linie für Zukunft?

Maier-Bode Nein. Wenn wir irgendwas ganz und gar nicht wollen, dann ist das ein Automatismus. Wir wollen nicht berechenbar sein, etwa ab sofort jedes Jahr politischer werden. Wir werden jedes Jahr aus Neue schauen, was die Menschen umtreibt. Wobei wir natürlich immer politisch sein werden.

Aber die Rollen im Ensemble bleiben.

Maier-Bode Zumindest sind Rosi (Sabine Wiegand, d. Red.) und Heinz (Harry Heib) gesetzt. Und so lange Angela Merkel eine wichtige Rolle spielt, wird sie dabei sein, genau wie Ursula von der Leyen. Aber dass die beiden Karnevalsfiguren Piffel und Poffel immer auftreten, ist nicht fixiert.

Bestimmen Sie als Autor mit Jens Neutag, wer wie was spielt und spricht?

Maier-Bode Wir sind ein Kollektiv, entscheiden alle administrativen Dinge gemeinsam, richtig mit Abstimmung. Auch die finanzielle Vergütung ist demokratisch geregelt. Aber auf der künstlerischen Seite mit Regisseur und Autorenteam muss es jemanden geben, der das letzte Wort hat. Ich kann mich aber an keine Situation erinnern, in der es in dieser Hinsicht jemals Streit gab. Unsere enge und gute Zusammenarbeit ist regelrecht gewachsen, wir vertrauen einander.

Ist bei Ihnen die Lust am Stunk ungebrochen?

Maier-Bode Ja. Total. Stunk ist für mich jedes Jahr ein richtiges Highlight. Ich freue mich immer wieder auf die Probezeit, weil das Ensemble toll ist, die Zusammenarbeit super klappt. Für den Stunk zu schreiben, macht mir auch deshalb Spaß, weil ich da in einer ganz anderer Sprache schreiben kann. Ein bisschen rustikaler als fürs Kabarett oder für das Theater, das mag ich einfach. Und was beim Stunk außerdem das Besondere ist: Die Musik spielt eine ganz große Rolle. Die Texte von Sabine Wiegand auf Cover von bekannten Songs sind genauso wichtig wie unsere Beiträge. Das hat man sonst selten.

Ist es ein Stachel im Fleisch, dass der Stunk des TaS zum Beispiel beim WDR gegenüber der Stunksitzung aus Köln das Nachsehen hat?

Maier-Bode Natürlich. Es wohl unser Fluch, dass wir nicht Köln sind und dann auch noch Düsseldorf. Wir bekommen keinen von den maßgeblichen Leuten dazu, bei uns mal zuzuschauen. Das ist schon schade.

HELGA BITTNER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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