Neuss Zu viel Unruhe bei Harry und Sally

Neuss · In der Inszenierung der Bühnenadaption des Films "Harry und Sally" von Raik Knorscheidt im Theater am Schlachthof wird ständig umgebaut. Eine Schwäche der Regie, die auch die guten Leistungen der Darsteller kaum wieder gutmachen können.

 Jahrelang streiten sie und können doch nicht ohne einander: Harry und Sally, gespielt von Jana Reiß und Johann Wild.

Jahrelang streiten sie und können doch nicht ohne einander: Harry und Sally, gespielt von Jana Reiß und Johann Wild.

Foto: Jü Walter

Wo immer Harry und Sally aufeinandertreffen, herrscht der blanke Magnetismus. Allerdings der von zwei Minuspolen, denn vom ersten Moment an sind die beiden New Yorker Junggesellen wie Fisch und Fahrrad, streiten, stoßen sich ab und geraten doch immer wieder an- und zueinander. Was die Geschichte von Harry und Sally, mit der Rob Reiner 1989 Filmgeschichte schrieb, so bezaubernd und unterhaltsam macht, das sind – neben der legendären Restaurantszene – die sprühenden Dialoge, die der langjährigen Entwicklung zwischen den Streithähnen Tempo, Esprit und Witz geben.

Ein zentrales Problem der Inszenierung, mit der Raik Knorscheidt jetzt am Theater am Schlachthof die Geschichte aus der Feder von Drehbuchautorin Nora Ephron auf die Bühne gebracht hat, besteht darin, dass die temporeichen Dialoge durch unaufhörliche Bühnenumbauten so weit zerhäckselt werden, bis nur noch wenig des ursprünglichen Charmes der Geschichte übrig bleibt. Wo Filmkameras mühe- und lautlos zwischen Szenen, Orten, Zeiten wechseln können, versucht Knorscheidt durch geschwinde Umbauten zu konkurrieren und bleibt dabei so chancenlos wie der Hase im Wettlauf mit dem Igel. Statt sich auf die entscheidenden Dialoge zu konzentrieren, lässt Knorscheidt unentwegt Sofas rücken, Wände drehen, Vorhänge auf und zu ziehen, bringt Aktion anstelle von Bewegung, Unruhe anstelle von Pointe. Tiefpunkt ist eine Szene, die ein Essen der Protagonisten mit zwei Freunden zeigen will und doch angesichts des Mobilitätszwangs aller Beteiligten zum Treff der Selbsthilfegruppe anonymer Hyperaktiver missrät. Ganz zu schweigen von jener berühmten Orgasmusszene, die bei Knorscheidt wie ein Fragment begegnet, nett, witzig, aber ohne nachvollziehbaren Zusammenhang.

Solche Schwäche der Regie, die sich an keiner Stelle systematisch auf die genuinen Möglichkeiten der Bühne gegenüber dem Film besinnt, nämlich auf Unmittelbarkeit, Lebendigkeit, hautnahe Präsenz, ist vor allem schade angesichts der tollen Darstellung, mit der Jana Reiß als Sally und Natascha Popov in verschiedenen Rollen brillieren.

Sehr glaubwürdig und überzeugend gelingt Jana Reiß die facettenreiche Entwicklung Sallys von der schieren Ablehnung gegenüber Harry bis zum Happy End. Mitreißend, quirlig und voller Energie besticht Natascha Popov als Fitnesstrainerin ebenso wie als Freundin Sallys. Auch Robert Heinle füllt die verschiedenen Rollen, die er übernimmt, mit großer Hingabe und Spielfreude. Johann Wild dagegen findet als Harry nur selten vom Sprechen zum Darstellen, präsentiert den Harry in Worten, viel zu wenig in Gesten. So gerät ihm seine Figur zum unattraktiven Stoffel ohne Charme und Entwicklung.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort