Neuss Zehn Nationaltrainer gucken Fußball

Neuss · Die härtesten Diskussionen gibt es bei Fußballspielen am Stammtisch. Etwa in Hans-Josef "Jupp" Hellingraths Fußball-Kneipe "Zum Libero". Zehn Gäste sahen dort gestern den Viertelfinal-Sieg der Deutschen Nationalmannschaft.

 1:0 für den Stammtisch: Das Viertelfinale Deutschland-Frankreich analysierten in der Fußballerkneipe "Zum Libero" die Gäste von Wirt und Ex Fußballprofi Jupp Hellingrath (Mitte) laut und meinungsstark.

1:0 für den Stammtisch: Das Viertelfinale Deutschland-Frankreich analysierten in der Fußballerkneipe "Zum Libero" die Gäste von Wirt und Ex Fußballprofi Jupp Hellingrath (Mitte) laut und meinungsstark.

Foto: A. Woitschützke

Als gestern vor dem Spiel die Aufstellung bekannt wird, ist die Stimmung am Stammtisch von Hans-Josef "Jupp" Hellingrath schon super. "War höchste Zeit den Lahm hinten rein zu stellen", sagt Peter Mehler, der wohl prominenteste Gast. Schließlich war er Präsident des VfR Neuss in den "erfolgreichen Jahren" (bis 1992).

Doch Wirt Hellingrath ist nicht weniger bekannt. 229 Bundesligaspiele hat der 74-Jährige absolviert. Nach seiner damaligen Lieblingsposition hat er seine Neusser Kneipe benannt: "Zum Libero". Da ist es klar, dass seine Gäste Manuel Neuers mutiges Torwartspiel besonders mögen. "Da kommt unser neuer Libero", ruft ein Gast, als Neuer zum ersten Mal im Bild ist.

Rund zehn Mann sitzen bei Hellingrath vor dem Fernseher. Die Wände sind holzvertäfelt, überall hängen Fotos "vom Jupp". Gegen die ganz Großen hat Hellingrath gespielt: Franz Beckenbauer Gerd Müller, den Bomber der Nation, und den Brasilianer Pelé. "Mein Freund Wolfgang Overath war vor kurzem nochmal hier", sagt Hellingrath und zeigt ein signiertes Foto vom langjährigen Köner FC-Präsidenten.

Mehr als 40 Jahre betreibt Hellingrath seine Kneipe nun schon. Etliche Weltmeisterschaften sind hier schon über den Bildschirm geflimmert. Bei so viel Fußball-Erfahrung kann einen so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Vielleicht geht es im Libero auch deshalb etwas leiser zu. Laut geschrien wird höchstens in wirklich spielentscheidenden Situationen. Kommentiert wird dafür umso mehr. Der oft bemühte Stammtisch - hier gibt es ihn noch. "Guck mal die Schwatten singen alle für Frankreich", ruft einer, als Matuidi während der Hymne in Nahaufnahme gezeigt wird. Postwendend muss sich der Fernseher einiges anhören, weil Khedira und Özil stumm bleiben. "Singen die wieder nicht. Sofort auswechseln!" Die Antwort gibt der Nebenmann: "Ruhe jetzt!" Dann hören alle schweigend die Hymne zu Ende.

Spielbeginn. Die Barhocker knacken vom unruhigen Hin und Her, einige Gäste atmen schwer. Die Stimmung ist wie das Spiel zu Beginn: Vorsichtig. Hummels erlöst alle nach 13 Minuten - auch die Fans an der Hymgasse.

Danach weicht die Zuversicht immer mehr der Anspannung. "Dat kann so nit jut jehen", seufzt jemand in der 50. Minute. Die Ratschläge an den Bundestrainer werden jetzt drängender: "Klose raus, Götze rein"; "Jetzt bräuchten wir Gomez"; "Bring doch endlich den Schürrle"; "Habt ihr nach der Pause nochmal was von Schweini gesehen?" Jeder Fehlpass wird mit Stöhnen kommentiert. "Do warst Du Schuld, Du Affe", schreit einer Benedikt Hoewedes an. Die Nerven liegen endgültig blank, als der "endlich" eingewechselte Schürrle zwei Mal frei vorm Tor vergibt. "Verdammich. gibts doch nicht", sagt Mehler. Gleich nach dem Abpfiff ist all das schon vergessen. "Wir werden eh Weltmeister", sagt Hellingrath. Dann gibt´s ne Runde Altbier. Die Analyse ist eröffnet.

(NGZ)
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