Innenstadt Wo das Neusser Herz schlägt

Neuss · Die Neusser zieht es wieder in ihre Innenstadt: 11.500 Menschen leben in der City, 700 mehr als noch vor acht Jahren. Viele rühmen die "Stadt der kurzen Wege" und fühlen sich wohl, "weil man sich hier noch kennt."

 Familie Flecken in ihrem Garten an der Erftstraße, von links: Gabi (47), Franziska (14), Charlotte (10), Anna (16), Martin (55) und Sebastian (12).

Familie Flecken in ihrem Garten an der Erftstraße, von links: Gabi (47), Franziska (14), Charlotte (10), Anna (16), Martin (55) und Sebastian (12).

Foto: A. Woitschützke

Wichtig ist der Blick auf St. Quirin. Welche Wohnung der Besucher in der Innenstadt auch betritt, es wird nicht lange dauern bis der Hausherr stolz zeigt, welch' schönen Blick er auf das Neusser Wahrzeichen hat — auch wenn der Gast auf dem Söller eine Leiter erklimmen muss, um vom Dachfenster aus, den Neusser Heiligen zu entdecken. Ohne Zweifel, die Neusser identifizieren sich mit ihrem Stadt- und Pfarrpatron.

Knapp 11.500 Menschen wohnen auf nur 1,5 Quadratkilometern zwischen Bahnhof und Stadthalle, zwischen Hafenbecken I und Stadtgarten — und es sind mehr geworden. Vor acht Jahren lebten 700 Neusser weniger in der Innenstadt, die als Wohnort offenbar an Attraktivität gewonnen hat.

Die Nähe zum heiligen Quirinus und den städtischen Angeboten in einem überschaubaren Umfeld — gute Argumente für die sechsköpfige Familie Flecken sich an der Erftstraße wohl zu fühlen. Mutter Gabi (47) schaut aus dem Fenster: "Ich muss nur die Erftstraße queren und schon bin ich im Grünen." Erftmühlengraben und Promenade prägen diesen Teil des Stadtbezirks Nummer 1. Auch zur Arbeit hat sie es nicht weit. Sie berät die Kunden in der nahen Marien-Apotheke.

Vater Martin Flecken (55) stammt aus einer renommierten Neusser Familie. Der Rechtsanwalt mit Kanzlei am Düsseldorfer Karlsplatz ist bekennender Neusser: Er sitzt im Komitee des Bürger-Schützen-Vereins und ist stellvertretender Vorsitzender im Kirchenvorstand von St. Quirin. Fleckens Credo: "In Neuss kennt man sich noch."

Wie die Eltern erleben auch die Kinder Anna (16), Franziska (14), Sebastian (12) und Charlotte (10) Neuss als Stadt der kurzen Wege, in der keiner anonym leben muss: Schulen und Kirche sind zu Fuß zu erreichen, zur Musikschule oder zum Hockey geht es mit dem Fahrrad. "Wenn meine Schulfreundin in Lank-Latum morgens in den Bus steigt", sagt Franziska, "dann stehe ich erst auf." Aber meist wohnen ihrer Freunde um die Ecke. Ihre ältere Schwester Anna mag nicht bedingungslos in das Lob auf Neuss einstimmen: "Es gibt zu viele Billigläden. Ich wünsche mir mehr gute Geschäfte zum Einkaufen auch für junge Leute."

Wie die Fleckens leben junge Familien mit Kindern in der Innenstadt — aber so wenige wie nirgends sonst im Stadtgebiet. Nur 12,7 Prozent der City-Bewohner sind unter 18 Jahre alt. Der stadtweite Durchschnitt liegt bei 17,7 Prozent. Dafür lockt die Innenstadt mit Schulen, Einkaufsstraßen, Banken, Dienstleistern, Freiberuflern oder Ärzten. Belebend wirken sich auch die Kulturangebote aus: Zeughaus-Konzerte, Ballett-Wochen in der Stadthalle, Landestheater, Sels-Museum oder Kulturforum Alte Post. "Und anschließend trifft man sich zum Glas Bier", sagt Martin Flecken — irgendwo im Schatten von St. Quirin.

(NGZ)
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