Neuss Wie sich Kinder in Konflikten behaupten

Neuss · Zweitklässler an der Gebrüder-Grimm-Grundschule in Erfttal lernen, wie sie sich verteidigen können - mit einfachen Griffen und wenig Text.

 Sibylle Wanders leitet die Kinder in der Aktion "Gewaltfrei Lernen" an der Gebrüder-Grimm-Schule in Erfttal mit Übungen an.

Sibylle Wanders leitet die Kinder in der Aktion "Gewaltfrei Lernen" an der Gebrüder-Grimm-Schule in Erfttal mit Übungen an.

Foto: andreas woitschützke

"Stopp - hör auf! Nein, Du boxt mich nicht! Schluss, so spiele ich nicht mehr mit!" Laut hallen rund 20 Kinderstimmen durch die Turnhalle der Gebrüder-Grimm-Grundschule in Neuss-Erfttal. Die Mädchen und Jungen der zweiten Klasse folgen dabei konzentriert den Übungen, die Sibylle Wanders, Botschafterin des Fördervereins "Gewaltfrei Lernen", vormacht: Ihre Arme sind gestreckt, die Körper aufrecht, der Blick mutig geradeaus. Spielerisch und bewegungsreich erlernen sie Strategien zur Gewaltprävention und Intervention von Ausgrenzung, Mobbing und körperlichen Schikanen.

Sechs Klassen der Gebrüder-Grimm-Schule werden in den nächsten Wochen jeweils sechs Stunden lang "Gewaltfrei lernen" auf dem Stundenplan haben. "Wir haben zwar kein Gewaltproblem an unserer Schule", so Schulleiterin Elisabeth Hüls, "aber wir sind in einem Stadtteil, in dem es viele sozialbelastete Familien gibt." 90 Prozent der Kinder stammen aus Familien mit Migrationshintergrund. "Derzeit haben wir 16 Kinder, die überhaupt kein Deutsch sprechen", sagt Hüls. "Daher ist ein solches Programm, das einfache Griffe und nur wenig Sprache beinhaltet, hervorragend zur Prävention und zur Förderung des sozialen Lernens."

Ermöglicht wurde das Projekt durch Spenden der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West sowie der Unfallkasse NRW. "Allein hätten wir ein solches Projekt nicht stemmen können", sagt Hüls. Ihr gegenüber sitzt Stephan Pohl, Filialleiter der Sparda-Bank West in Neuss: "Gewaltfrei Lernen ist eins meiner Lieblingsprojekte. Meine Tochter ist zehn Jahre alt und daher weiß ich, wie wichtig es ist, dass Kinder Behauptungs-Strategien erlernen." Über 90 Schulen in NRW haben in den vergangenen Jahren die Möglichkeit erhalten, die Schulung durchzuführen. Insgesamt hat die Stiftung bereits 375 000 Euro gesponsert. "Wir sind auf derartige Spenden dringend angewiesen", sagt Schulleiterin Hüls. Um das Projekt zu ermöglichen, ist auch ein - eher symbolischer - Eigenbetrag der Eltern notwendig. "Wir können aber maximal zwei Euro pro Kind einsammeln", so Hüls. "Denn wir haben keine Eltern, die verantwortlich in großen Konzernen arbeiten und dann auch mal als Sponsoren auftreten könnten."

Die Eltern zeigten aber großes Interesse an dem Training. "Beim Elternabend zu diesem Projekt berichteten sie, wie begeistert die Kinder ihnen schon die verschiedenen Griffe erklärt hätten", sagt Ulrike Marquardt, Schulsozialarbeiterin im Rhein-Kreis Neuss. Dabei gehe es nicht darum, dass die Kinder sich schlagen, erklärt die pädagogische Leiterin des Gewaltfrei-Lernen-Teams Sibylle Wanders. Ganz im Gegenteil: "Sie sollen aber lernen, sich in Konfliktsituationen zu behaupten."

Filialleiter Stephan Pohl ist begeistert von dem Lernerfolg: "Es ist schon beeindruckend zu erleben, wie ein lauter 'Stopp'-Ruf und die entsprechende Körperhaltung einen potenziellen Aggressor irritieren können."

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort