Jahresrückblick Wie die Maggikalypse zum Twitter-Ereignis wurde

Neuss · Eine Betriebsstörung beim Neusser Aromen-Hersteller Silesia sorgt im Juni für eine der kuriosesten Internetgeschichte des Sommers. Eine würzige Geruchswolke macht sich über große Teile des Rheinlandes breit. Wegen einer Kommunikationspanne wird die Ursache des bestialischen Gestanks aber erst nach vielen Stunden publik. Die Internetgemeinde hat somit genug Zeit zur Spekulation: Die Maggikalypse wird geboren.

Jahresrückblick: Wie die Maggikalypse zum Twitter-Ereignis wurde
Foto: woi

Das stinkt doch zum Himmel: Diesen Gedanken haben am Morgen des 11. Juni etliche Bewohner im Rheinland. Eine übel riechende Gewürzwolke überzieht das Gebiet zwischen Köln, Dormagen, Leverkusen und Düsseldorf. Diverse Medien rätseln über die Ursache des Gestanks, es herrscht jedoch lange Unklarheit. Und so sorgt die Geruchswolke im Internet in den sozialen Netzwerken für Furore: Wortspiele und so manche Frotzeleien gegen Köln sind im Umlauf: Was ist das Lieblingsglücksspiel der Kölner? Brühwürfeln. Hat etwa das Parfum "4711 Echt Kölnisch Wasser" eine neue Produktlinie? Was ist das Lieblingsglücksspiel der Kölner? Brühwürfeln. Hat etwa das Parfum "4711 Echt Kölnisch Wasser" eine neue Produktlinie "Köln: Wo man hartnäckig behauptet, Kölsch sei echtes Bier und Frischluft nach Maggi riecht", schreibt ein Twitter-Nutzer.

Bilder, auf denen die Spitzen des Kölner Doms durch Maggi-Flaschen ersetzt wurden, machen ebenso die Runde wie Collagen der Würze mit dem Aufdruck "Kölnisch Wasser". Auch in Düsseldorf beteiligt man sich an der Häme. "Solange Maggi nicht nach Köln riecht, ist es mir egal", scherzt Kabarettist Christian Ehring ("Kommödchen"). Eine Leserin kommentiert auf der Facebook-Seite von RP Online: "Bestimmt bekommt meine Schwiegermutter Besuch zum Essen. Ich bin gemein, sorry, aber das passt so gut!" Großer Aufmerksamkeit erfreute sich auch die interaktive Karte eines Twitter-Nutzers mit dem Namen Droid Boy, auf der Nutzer "Kölner Stinkeorte" markieren konnten.

Die Witzewelle im Netz ist einer Kommunikationspanne zu verdanken. Denn es dauert fast elf Stunden, bis der Vorfall aufgeklärt ist. Gegen 3.15 Uhr kommt es bei Silesia im Rahmen eines Destillationsprozesses zu einer Verdampfung, als eine kleine Menge des Aromastoffes Sotolon mit einer heißen Platte in Berührung gekommen sei, wie das Unternehmen später berichtet. Der geruchsintensive Stoff tritt durch den Schornstein aus und wurde durch den Wind nach Köln getrieben.

Hunderte Anrufe bei der Feuerwehr

Zahlreiche Bewohner des Rheinlandes sind aufgrund des Geruchs verunsichert. Gegen 6.30 Uhr rufen Anwohner im Chempark an, weil sie dort den Grund für den Geruch vermuten. Um 6.40 Uhr gehen hunderte Anrufe bei der Kölner Feuerwehr ein, sie ist mit zehn Messfahrzeugen im Einsatz. Auch in Düsseldorf und Leverkusen gibt es Feuerwehr-Einsätze. Um 8 Uhr gibt es erste Anrufe beim Rhein-Kreis Neuss. Knackpunkt der Ereignisse ist wohl — so legt es später der Bericht des Kreises nahe — dass zwar bereits morgens um 8.30 Uhr klar ist, dass es eine Betriebsstörung bei Silesia in Neuss-Allerheiligen gegeben hat, die Geruchsproben im Rhein-Kreis selbst aber nichts ergeben, da die Gestank-Wolke schon weitergezogen ist. Obwohl zwischenzeitlich, um 11 Uhr, eine Nachricht der Bezirksregierung Düsseldorf mit der Bitte eingeht, die Geruchssituation zu überprüfen, stellen die Mitarbeiter zunächst keinen Zusammenhang zwischen der Neusser Betriebsstörung und dem Geruchsproblem im aus ihrer Sicht weitab gelegenen Köln her. Im Bericht heißt es dazu, es habe um 13 Uhr eine "Lagebeurteilung" gegeben. Die ergab folgende Schlussfolgerung: Zwar wusste man von der Betriebsstörung, aber da es vor Ort nicht roch und nur zwei Beschwerdeanrufe aus dem Kreis vorlagen, wurde entschieden, dass gemäß der Richtlinien keine öffentliche Meldung darüber notwendig sei.

Dann aber besinnen sich die Mitarbeiter aber noch einmal neu — wohl aufgeschreckt durch die nun um sich greifende Berichterstattung — und rufen erneut bei der Firma Silesia an. Erst dann sei deutlich geworden, sagt Dezernent Mankowsky, dass vier Kilogramm des Aromastoffs Sotolon ausgetreten waren. "Somit ist eindeutig klar, dass die Firma Silesia Verursacher der Geruchswahrnehmung von Köln bis Düsseldorf ist", heißt es dazu in dem Bericht. Kurz darauf sei die Bezirksregierung unterrichtet worden.

Letztlich ist es aber der Kölner Feuerwehr vorbehalten, die Öffentlichkeit gegen 14 zu informieren. Sie hatte zuvor selbst herausgefunden, dass Silesia der Verursacher war. "Jawoll. Neuss, die Hauptstadt des Gestanks", twittert ein User. Die Witzewelle sollte auch nach Auflösung des Rätsels nicht abreißen.

Alle unsere Texte zum Jahresrückblick finden Sie nach und nach hier.

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