Koenig richtet Rezept fürs neue Jahr an Wenn der Jüngste Tag 2003 stattfinden würde

Koenig richtet Rezept fürs neue Jahr an · ",Ich bin Gott' - das sagte der Heckenschütze von Washington im September nach seiner Festnahme, nachdem er 13 Menschen hinterrücks erschossen hatte." Mit diesen Worten eröffnete Stadtdechant Jochen Koenig von der katholischen Kirche in Neuss seine Predigt zu Silvester. Das "Ich bin Gott" kann gleichsam als Anmaßung über vielen Ereignissen des Jahres 2002 stehen, "was den Hochmut und die Selbstüberschätzung des Menschen zeigt", so der Stadtdechant weiter.

Er zählt beispielhaft den Anschlag von Djerba auf, bei dem 14 Deutsche ermordet worden waren. Aber auch den Amoklauf von Erfurt mit 17 Opfern oder den Terroranschlag von Bali mit 200 Toten ruft Koenig in Erinnerung. Daneben zählt der Geistliche das neue Gesetz über die Einfuhr menschlicher embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken, das Ende April 2002 vom Bundestag verabschiedet worden war, zur Anmaßung: "Ich bin Gott". Koenig erwähnt auch: "In der Regierungserklärung des deutschen Bundeskanzlers nach der Wahl werden die Kirchen und das Christentum mit keinem Wort erwähnt. Der Stadtdechant ruft die Christen auf, Ihre Verantwortung in der Gesellschaft wahrzunehmen.

"Wir können nicht schweigen, wenn es um den Erhalt von Leben von der Empfängnis bis zum Sterben geht", so Koenig weiter. Christen könnten auch nicht schweigen, wenn die "Lufthoheit über Kinderzimmern" nicht mehr den Eltern zugestanden werde, sondern von der Bundesregierung für sich in Anspruch genommen werde. "Wir können nicht schweigen, wenn Familie nicht mehr ernst genommen wird", so der Geistliche, und Mütter, die nicht berufstätig sind, als "Heimchen am Herd" deklariert würden. Die Zeit stellt der Pfarrer der größten katholischen Neusser Pfarrgemeinde St. Marien, Wilfried Korfmacher, in den Mittelpunkt seiner Silvesterpredigt. Sie verrinne wie in einem Stundenglas. Die Zukunft könne man im oberen Teil ablesen. Die Vergangenheit dagegen im unteren.

Dazwischen liege die Gegenwart. Die Zeit verrinnt unaufhörlich. Doch was würde passieren, drehte einer das Stundenglas um 90 Grad. Dann bliebe die Zeit stehen. Totaler Genuss der Gegenwart? Sieg über den Tod? "Doch diese Art von Ewigkeit bedeutet nicht das ewige Leben", so Pfarrer Korfmacher. "Denn jede Bewegung, die nun einmal dem Lebendigen eigen ist, wäre vorbei. Es gäbe keine Gegenwart und keine Vergangenheit und auch keine Zukunft mehr und deshalb auch kein Leben." Christen leben in der Zeit und erwarten die Wiederkunft des Messias am Jüngsten Tag. "Da wird unsere Freude vollkommen sein. Alle Gewalt wird ein Ende haben. Kein Volk wird mehr gegen das andere Krieg führen. Keiner wird mehr verhungern müssen. Jeder wird das haben, was er zum Leben braucht. Frieden wird sein - ohne Ende."

So ruft Pfarrer Hermann Schenck, Superintendent der evangelischen Kirche im Kirchenkreis Gladbach-Neuss, die Heilserwartung der Christen in Erinnerung und beschreibt damit den eigentlichen Kern des erwarteten Ewigen Lebens. Wann dieser Zeitpunkt kommt, sei aber ungewiss. "Darum seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr's nicht meint", berichtet Schenck aus der Heiligen Schrift. Doch was würden wir tun, wäre es schon 2003 so weit? Diesen Gedanken greift Pfarrer Dr. Jörg Hübner auf. Der Vorsitzende des evangelischen Gemeindeverbandes in Neuss fragte: "Was würden wir tun? In einem ersten Gedankengang würden wir alle sagen: Den geplanten Jahresurlaub absagen", so Hübner.

Denn schließlich gibt es jetzt Wichtigeres. "Den kranken Vater, die kranke Mutter, einen lieben Menschen nicht ins Altenheim schicken, sondern nach Hause holen. Liebe Menschen noch einmal besuchen. Das Leben mit seinen Vorzügen genießen und feiern." Man würde wohl das Jahr 2003 ganz anders angehen, wüsste man, dass sich die christliche Heilserwartung in ihm vollendet. Pfarrer Dr. Hübner: "Vielleicht spüren Sie jetzt: Es ist ein anderes Gefühl, das sich dann über das Jahr 2003 legen würde. Gott kommt in seinem Sohn Jesus Christus. Er ist unterwegs. Das gibt dem Lebensgefühl eines Jahres eine neue Qualität."

Aber schon heute wissen wir, das Christus unterwegs ist. Ein schönes Rezept für 2003 gibt uns Jochen Koenig mit auf den Weg: Man nehme zwölf Monate, putze sie ganz sauber von Bitterkeit, Geiz, Pedanterie und Angst. Jeder Tag wird einzeln angerichtet aus einem Teil Arbeit, zwei Teilen Frohsinn und Humor, einem Körnchen Ironie und einer Prise Takt. Dann wird die Masse mit reichlich Liebe übergossen. Carsten Greiwe

(NGZ)
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