Neuss Wenn das Theater selbst zum Spiel wird

Neuss · Marius von Mayenburgs Stück "Perplex" ist eine Parodie auf das Theater selbst, auf die Stücke, auf die Darsteller und auf die Regisseure. Peter Wallgram inszeniert es mit viel Lust am Spiel am Rheinischen Landestheater.

 So fängt alles an: Linda (Riebau) und Henning (Strübbe) kommen aus dem Urlaub in ihre Wohnung zurück, die aber die beiden Freund Rainer (Scharenberg) und Ulrike (Knobloch) nicht nur bewohnt, sondern übernommen haben.

So fängt alles an: Linda (Riebau) und Henning (Strübbe) kommen aus dem Urlaub in ihre Wohnung zurück, die aber die beiden Freund Rainer (Scharenberg) und Ulrike (Knobloch) nicht nur bewohnt, sondern übernommen haben.

Foto: B. Hickmann

Sie hören einfach nicht auf zu spielen. Selbst beim Schlussapplaus nicht. Rainer nimmt den Beifall gerührt und mit ein bisschen selbstgefälliger Miene hin. Ulrike verneigt sich huldvoll wie eine Diva, Henning gibt sich ganz cool und Linda arrogant. In diesen letzten Minuten einer Vorstellung legen die Schauspieler ihre Rollen normalerweise ab, wirken meistens recht nackt und oft auch erleichtert — nicht so am Schluss dieser Inszenierung von Marius von Mayenburgs Stück "Perplex". Rund 110 Minuten haben die vier RLT-Darsteller zuvor Rolle um Rolle gewechselt, absurde Situationen kreiert, und noch in diesen letzten Minuten lässt Regisseur Peter Wallgram sie das Credo seiner Bearbeitung im Sinne des Wortes verkörpern: Sie wollen nur spielen.

Denn um nichts anderes geht in dem Vier-Personen-Stück, das jederzeit auf ein Drama hinauslaufen könnte. Ein Pärchen kommt aus dem Urlaub zurück, will seine Wohnung wieder von den Homesittern übernehmen und muss feststellen: Das Freundespaar hat sie sich angeeignet. Perplex verlässt das Pärchen die Wohnung — nur um im nächsten Moment wieder hereinzukommen. Aber diesmal ist er ein Kind und sie ein Au-Pair-Mädchen, die zurückkehren zu den Eltern, die gerade noch die Freunde des aus dem Urlaub gekommenen Pärchens waren. Zu kompliziert? Dabei kommt es noch dicker. Denn ständig wechselt die Personenkonstellation, alle nasenlang nimmt jeder eine neue Rolle an. Nur die Namen bleiben gleich: Linda ist Linda ist Linda, Henning ist Henning ist Henning ...

Schon der Autor hat in der von ihm inszenierten Uraufführung das Spiel mit dem Spiel auf die Spitze getrieben und seinen Schauspielern in sämtlichen Rollen ihre Realvornamen gelassen — daran hält sich auch Peter Wallgram. Überhaupt hat er nur wenig geändert an dem Stück, das mal leichtfüßig und witzig, mal etwas angestrengt und plump schwere Bühnenkost ebenso wie den Boulevard persifliert, das Theater an sich demaskiert.

Was findet sich da nicht alles in den Rollen, was das Theater zum Theater macht. Der Gipfel der Plattheit etwa, wenn Linda (Riebau) im knappen Kleidchen und mit wallender Mähne das mit osteuropäischen Akzent sprechende Au-Pair-Mädchen gibt. Die Tragik eines Menschen, die sich im Sinne des Wortes wie bei Rainer (Scharenberg) nackt macht und eine philosophische Bruchlandung hinlegt. Die vermeintlich wahre Leidenschaft wie bei dem von Rainer verführten Henning (Strübbe); die schlummernde Unheimlichkeit des (Nazi-)Bösen in der schneidigen Ulrike (Knobloch) — für Schauspieler so viel Futter in so kurzer Zeit, dass es gar nicht gespielt sein muss, wenn jeder Rollenwechsel sie für einen Moment perplex macht.

Wallgram setzt dabei im Wesentlichen auf die Eigendynamik des Stücks, auf die buchstäbliche Spiel-Freude seiner Darsteller, streut augenzwinkernd Zitate aus anderen Stücken ein — etwa Martin Wuttkes "Arturo Ui" aus der legendären Inszenierung des Brecht-Stücks von Heiner Müller am Berliner Ensemble 1995. Seine prägendste Idee: Die Hinterwand schiebt sich mehr und mehr in den als klassischen Guckkasten gebauten Spiel-Raum (Ausstattung: Pia Maria Mackert) hinein, drängt die Spieler förmlich an die Rampe und durch die sogenannte vierte Wand in den Seh-Raum des Zuschauer hinein. Kein großer, aber ein hinterlistiger Theaterabend.

(NGZ)
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