Bürgerforum im November Neuss sucht Antwort auf Gretchenfrage der Wärmeplanung

Neuss · Die Stadt wird neu eingeteilt: In Gebiete, die dezentral und solche, die über zentrale Netze mit Wärme versorgt werden. Die Grenzziehung ist in Arbeit. So ist der Sachstand.

Weil die Landesregierung keinen Anschlusszwang an Fern- beziehungsweise Nahwärmenetz formulieren wird, fällt die Entscheidung darüber den Kommunen zu. Letztlich sei das eine politische Entscheidung, betont der Umweltdezernent.

Foto: dpa/Marijan Murat

Die Stadt kann inzwischen bis auf die Ebene einzelner Wohnblocks heruntergebrochen sagen, wie viel Heizenergie dort verbraucht wird. Damit ist eine Voraussetzung gegeben, auf der sich eine kommunale Wärmeplanung aufbauen lässt. Bis November will die Kommune noch einen Schritt weiter sein und nicht nur darstellen, aus welchen Quellen die benötigte Energie unabhängig von fossilen Brennstoffen gewonnen wird, sondern auch, wie die Versorgung organisiert wird.

Ein Bürgerforum sei in Vorbereitung, kündigt Umweltdezernent Matthias Welpmann an, auf der dazu Karten gezeigt werden. Karten, denen jeder Immobilienbesitzer entnehmen kann, ob sein Haus in einer Nachbarschaft liegt, in der die Häuser einzeln, also dezentral beheizt werden, oder ob in seinem Quartier der Aufbau einer zentralen Wärmeversorgung mit Fern- beziehungsweise Nahwärmenetzen infrage kommt. Die Gretchenfrage sei, so Welpmann, wo die Grenze zwischen den unterschiedlichen Versorgungsgebieten gezogen wird. Denn davon kann für die Betroffenen einiges abhängen.

Kostenpflichtiger Inhalt Angestoßen wurden solche Überlegungen schon Ende 2022, weil jede Stadt oder Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, Mitte 2025 eine kommunale Wärmeplanung vorzulegen. Diese stelle erst einmal nur die Möglichkeiten dar, betont Welpmann. Aus der Planung selbst würden sich für die Stadt aber auch die Hausbesitzer noch keine rechtlichen Folgen oder eine Umsetzungspflicht ergeben. „Der Umsetzungsfahrplan kommt noch“, kündigte Welpmann den zweiten Schritt an. „Und der kostet richtig viel Geld.“

Umweltdezernent Matthias Welpmann kündigt ein Bürgerforum im November an.

Foto: Andreas Woitschützke

Das Ziel hinter der Wärmeplanung heißt Klimaneutralität. Bis 2045 soll die gesamte Energieversorgung ohne fossile Energieträger auskommen. Weil die Hälfte der verbrauchten Energie auf die Wärmeerzeugung entfällt, wird dort ein wesentliches Potenzial zur CO2-Reduzierung gesehen.

Mit 75 Prozent sind Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen die größten Verbraucher von Wärmeenergie. Damit sei klar, so Welpmann, dass die Strukturentwicklung zur Erzeugung von Prozess- und Heizwärme auch in den Gewerbegebieten ansetzen muss. Und je nachdem, welche Temperaturen da gefordert sind, komme man am Energieträger Wasserstoff nicht vorbei. Der Neusser Hafen, stellt der Umweltdezernent klar, werde einen eigenen Anschluss an das im Aufbau befindliche Wasserstoff-Kernnetz benötigen. „Anders ist dort Klimaneutralität nicht zu erreichen.“

Mit einer eigenen „Energie- und Wärmestrategie“ für ganz Nordrhein-Westfalen hatte vor einigen Tagen Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) ein Konzept vorgestellt, wie der Wärmebedarf von Unternehmen und Privathaushalten landesweit bis 2045 klimaneutral gedeckt werden kann. Demnach wird in dezentralen Versorgungsgebieten die Wärmepumpe wichtigster Wärmelieferant bei der Beheizung einzelner Wohnhäuser sein. In dichter besiedelten, also urbanen Räumen ist der Aufbau von Nah- und Fernwärmenetzen das Mittel zum Ziel.

Allerdings schließt die Landesregierung einen Fernwärmezwang aus. Zum Leidwesen der Kommunen, wie Welpmann betont, weil ihnen damit die Entscheidung darüber zugeschoben wird, einen Anschlusszwang an ein solches Netz zu postulieren. Der Vorteil wäre, dass Investoren, die solche Systeme aufbauen wollen, früh Planungssicherheit haben. Als Nachteil aber sei anzusehen, dass „sich die Leute vergewaltigt fühlen“, sagt Welpmann. Letztlich sei das dann eine politische Entscheidung.

Mit der Arbeit an der Wärmeplanung hat die Verwaltung auch das Potenzial aller infrage kommenden Energiequellen in der Stadt untersucht. Biomasse etwa kommt demnach eine untergeordnete Bedeutung zu, während in der Stadt gute bis sehr gute Bedingungen zur Nutzung von Geothermie, also Erdwärme, gegeben sind. „Leicht erschließbar, weil oberflächennah“, sagt Welpmann, der aber gleich hinzufügt. „Wir werden alle Potenziale in Kombination brauchen.“