Vogelzug über Neuss Kraniche bieten Neussern eine einmalige „Flug-Show“

Neuss · Wer derzeit im Freien die Augen aufhält kann beobachten, wie sich die Natur auf den Winter vorbereitet. Am Samstag zogen Kraniche laut „trompetent“ über das Stadtgebiet in Richtung Süden.

 Die Kraniche sind unterwegs in ihre Winterquartiere. Am Samstag überflogen Tausende die Stadt Neuss.

Die Kraniche sind unterwegs in ihre Winterquartiere. Am Samstag überflogen Tausende die Stadt Neuss.

Foto: dpa/Jens Büttner

Der Stadtgarten erfreut sich zu Corona-Zeiten ungeahnter Beliebtheit. „Lockdown light“ verbunden mit Sonnenschein locken seit Tagen wieder fast so viele Spaziergänger in das Areal zwischen Kaiser-Friedrich- und Schorlemerstraße wie zu Beginn der Pandemie im März und April. Am Samstagnachmittag bekamen sie mehr als eine Stunde lang eine spektakuläre Flugshow geboten, die kaum einer von ihnen so jemals gesehen haben wird. Denn zwischen 14 und 15.30 Uhr waren mehrere Tausend Kraniche auf ihrem Weg von der Ostsee ans Mittelmeer und weiter nach Afrika im Luftraum über der Neusser Innenstadt unterwegs – Beobachter zählten mindestens zwanzig Züge mit 100 bis mehr als 200 Vögeln in jeder Formation. Verantwortlich für dieses in unseren Breiten seltene Naturphänomen war wohl die stabile Hochdruck-Wetterlage über Europa. Denn Kraniche, ebenso wie andere „Segler“ unter den Vögeln, zu denen Störche, Bussarde und Adler zählen, brauchen warme Aufwinde, die sich dank der Sonneneinstrahlung über größeren Landflächen bilden, um die enormen Entfernungen zwischen ihren Brutplätzen in Skandinavien und ihren afrikanischen „Winterquartieren“ jenseits der Sahara möglichst kräfteschonend zurücklegen zu können. Solche Aufwinde entstehen beispielsweise auch durch die Abluft der Braunkohlekraftwerke im rheinischen Revier, die deshalb oftmals von der Reiseroute der Kraniche tangiert werden – allerdings selten in solch großer Zahl wie am Samstagnachmittag.

Außer, dass sie für Aufwinde sorgen, dienen die Kraftwerkstürme den Kranichen auch als „Landmarken“. Denn neben dem Sonnenstand (und bei Dunkelheit dem Polarstern) orientieren sich die größeren Zugvögel, deren Flugrouten anders als bei Singvögeln nicht genetisch festgelegt sind, sondern „erlernt“ werden müssen, an markanten Punkten in der Landschaft – das können Gebirgszüge, Flussläufe, aber auch Gebäude wie der Kölner Dom, der Pylon der Fleher Brücke oder eben die Türme der Braunkohlekraftwerke sein.

Von der Ostsee – im Gebiet zwischen Hiddensee und dem Darß rasten jährlich zwischen 80.- und 100.000 Kraniche – oder der Elbe kommend, bildet der Rhein eine wichtige Orientierungshilfe. Oft teilen sich hier die Vögelströme, die einen fliegen flussaufwärts und durch das Rhonetal bis nach Südfrankreich, die anderen wählen die Ardennenroute bis nach Spanien. Ziel ist meistens die Meerenge von Gibraltar, denn wegen fehlender Aufwinde können Kraniche nicht übers offene (Mittel-)Meer fliegen. Über den Neusser Stadtgarten schon…

(-vk)
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