Auftakt für das Shakespeare-Festival Vier Freunde im Athener Wald

Auftakt für das Shakespeare-Festival · Neuss Was ist aus diesen Handwerkern nicht schon alles gemacht worden: Blödiane, alberne Witzfiguren, naive Weise des Alltags, polternde Grobiane - Squenz, Zettel, Flaut, Schnock, Schnauz und Schlucker aus Shakespeares "Sommernachtstraum" sind jedoch unverwüstlich und überleben in der Regel jede noch so ausgefallene Idee eines Regisseurs, jeden unbotmäßigen Interpretationsversuch der Schauspieler.

 Ob Männlein oder Weiblein: Regisseur Jochen Schölch und seine jungen Schauspieler Julia Sonntag, Isa Weiß, Frederic Linkemann und Dimitrij Schaad (v.l.) haben mit ihrer Handwerktruppe einen überraschenden Coup gelandet.

Ob Männlein oder Weiblein: Regisseur Jochen Schölch und seine jungen Schauspieler Julia Sonntag, Isa Weiß, Frederic Linkemann und Dimitrij Schaad (v.l.) haben mit ihrer Handwerktruppe einen überraschenden Coup gelandet.

Foto: NGZ-Online

Neuss Was ist aus diesen Handwerkern nicht schon alles gemacht worden: Blödiane, alberne Witzfiguren, naive Weise des Alltags, polternde Grobiane - Squenz, Zettel, Flaut, Schnock, Schnauz und Schlucker aus Shakespeares "Sommernachtstraum" sind jedoch unverwüstlich und überleben in der Regel jede noch so ausgefallene Idee eines Regisseurs, jeden unbotmäßigen Interpretationsversuch der Schauspieler.

Eine ganz eigene Variante hat auch Regisseur Jochen Schölch mit seinen jungen Darsteller der Bayrischen Theaterakademie August Everding beigesteuert. Er hat die Truppe um zwei Mitglieder verkleinert und zwei von den verbliebenen zu Frauen gemacht. Aus Peter Squenz wird eine Petra, Schnock, Schnauz und Schlucker werden zu einer Person namens Ruth gebündelt. Nur Zettel und Flaut bleiben, was sie sind: der erste ein von sich eingenommener Esel, der zweite ein naives Herzchen.

Ihrer gemeinsamen Aufführung des schauerlichen Dramas um "Pyramus und Thisbe" anlässlich der Hochzeit von König Theseus von Athen und seiner Hippolyta tat das indes keinen Abbruch - und dem Vergnügen an ihnen auch nicht. Im Gegenteil. In den Szenen mit den Handwerkern bündelte sich, was die komplette Inszenierung auszeichnet: akzentuiertes Spiel, Dynamik, große Stringenz und ein wunderbar ironisch-ernster Umgang mit den Figuren.

Die Abschlussarbeit der Schauspieler Franziska Herrmann (Puck/Philostrat), Sonja Isemer (Hippolyta/Titania), Frederic Linkemann (Demetrius/Zettel), Christoph Müller-Leonhardt (Theseus/Oberon), Dimitrij Schaad (Lysander/Flaut/Elfe), Julia Sonntag (Hermia/Ruth) und Isa Weiß (Helena/Squenz) an der Münchner Schauspielschule bildete einen idealen Auftakt für das Shakespeare-Festival, zeigt sie doch alles, was man von einer Inszenierung eines weithin bekannten Stückes erhofft: Frische, Pfiffigkeit und vor allem beeindruckend starke Schauspieler.

Allein die Idee, wie Zettel vom Elfenkönig Oberon in einen Esel verwandelt wird: Die Ohren verpasst ihm Franziska Hermann als Puck, indem sie ihm per Handstand ihre Füße an den Kopf legt. Dazu ein Teilgebiss und ein paar merkwürdige Geräusche, und fertig ist ein Esel, der in diesem Moment gar nichts anderes sein kann. Ebenso verblüffend und sinnvoll der Einfall, den Handwerkern Halbmasken aufzusetzen, die bei aller Starrheit jenen Charakter transportieren, die sie in Gestik, Mimik und Ton bis hin zum versöhnlichen Abschlusstanz konsequent durchhalten.

Überhaupt sind Figuren und Handlung von Leitmotiven durchzogen: Der unwilligen Braut Hippolyta entspricht die zickige Titania, dem tapsigen Lysander der naive Flaut, dem schnöseligen Demetrius der prahlerische Zettel. Dass sie jeweils von denselben Schauspielern verkörpert werden, ist die absolut logische Konsequenz.

The Fairy Queen

Ganz anders und doch ähnlich die musikalische Version des "Sommernachtstraums" von Henry Purcell unter dem Titel "The Fairy Queen". Die Neue Hofkapelle München unter der Leitung von Christoph Hammer hatte für die Globe-Aufführung eine konzertante Fassung für acht Musiker mitgebracht. Mag an diesem Zusammenspiel zwischen den wunderbaren Musikern, den beeindruckenden acht Sängern und vier erzählenden und ein bisschen spielenden Darstellern der Theaterakademie auch manches improvisiert gewesen sein - der rund zweistündige Abend überzeugte bis zur letzten Minute. (Vielleicht auch gerade deswegen.)

Sehr verhalten, aber akzentuiert bringen Isemer, Linkemann, Schaad, Sonntag und Herrmann die Figuren aus Schölchs Inszenierung mit. Gleichzeitig ordnen sie sich der Musik Purcells unter und überlassen vor allem den Musikern unter der ruhigen und sicheren Leitung von Hammer die Bühne.

Der Wechsel von Musik zu Erzählung und verhaltenem Spiel, der sichtbare Spaß der Sänger (vor allem von Countetenor Chris Robson als Gast) an dem derben Humor der Vorlage machten aus der konzertanten Aufführung eine überaus reizvolle Alternative zum Schauspiel. Leider mit nur einer Vorstellung.

(NGZ)
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