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Neuss Van Hasselt: Kabarett und Darmgeschichten

Neuss · Er wohnt in den Wörtern. Sie umringen ihn, und er umringt sie, er tanzt auf und mit und unter und in ihnen und lässt zuweilen sprachlos staunendes Publikum zurück.

Tom van Hasselt hat eine besondere Gabe: er ist der Wörterflüsterer. Virtuos jongliert er und hantiert er und dribbelt er und schnibbelt er und macht aus etwas, das für die meisten nicht mehr als ein selbstverständliches Mittel der Kommunikation ist, ein Kunstwerk. Das ist nicht einfach, denn es ist etwas anspruchsvoller als nur eine schöne Stimme zu demonstrieren oder verblüffend realistisch fremde Figuren zu mimen. Noch schwerer ist es, in diesem wundersamen Wortkonstrukt Witz unterzubringen, Lachen zu erzeugen, zu überraschen.

Dem 32-jährigen Musikkabarettisten, der gebürtig aus Düsseldorf stammt und inzwischen in Berlin lebt, gelang im Theater am Schlachthof eben dieses mit seinem aktuellen Ein-Mann-Programm "Tom van Hasselt verschluckt sich".

Diese "Party für Eingeweide" fand sinnigerweise in seinem eigenen Körper statt, vornehmlich in dem Abschnitt, den wir am liebsten verschweigen: im Darm. Dort herrscht ein reges Treiben mit erbitterten Platzkämpfen zwischen Sprosspilzen und Bakterien, doch glücklicherweise gibt es "ein Leben nach dem Kot". Und letztendlich sind wir Menschen ja auch nur Gottes Darmflora.

Van Hasselt begleitete seine prägnanten, wortbetonten und oftmals absurd-albernen Lieder – mal fröhlich-flott, mal melancholisch – gekonnt auf dem Klavier. Wasserfallartig ergossen sich gelegentlich seine quirligen Verse über die Zuschauer. Er forderte sie zum "Verweilen zwischen den Zeilen" auf und riet ihnen: "Hast du einen Kopf, dann mach ihn dir nicht".

Sein Herz ist eine Schallplatte und jede Rille eine Erinnerung; seine Großhirnrinde gleicht einer Prärie. Zwischendurch geriet der jugendlich wirkende Kabarettist ins Philosophieren, und nicht immer konnte ein jeder seinen wilden Gedankengängen folgen. Manches schien doch zu grotesk, so auch das eigensinnige Liebeslied "Gorleben". Zudem passten beinahe wie obligatorisch untergebrachte politisch-gesellschaftliche Abstecher wie die Erwähnung der isländlischen Vulkan-Aschewolke nicht recht zum Thema und hinterließen kurzfristige Verwirrung. So meinte man, das Programm sei etwas unausgegoren und könnte einen Hauch mehr Stringenz und Geradlinigkeit vertragen. Doch dies tat der Begeisterung keinen Abbruch.

(NGZ)
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