Jobcenter-Mord in Neuss Übergriffe im Job: Ein Sozialpädagoge gibt Tipps

Neuss/Berlin · Nach dem Jobcenter-Mord fühlen sich viele Beschäftigte bedroht. Denn viele Berufsgruppen erleben Übergriffe.

November 2012: Mord im Neusser Jobcenter - Täter in Haft
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November 2012: Mord im Neusser Jobcenter - Täter in Haft

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Im September 2012 hatte ein 52-jähriger Marokkaner eine 32-jährige Angestellte des Neusser Jobcenters erstochen. Im März muss sich der Familienvater für diese Tat vor dem Schwurgericht verantworten. Gewalttätige Übergriffe von Kunden oder Patienten - davon sind einige Berufsgruppen häufiger betroffen als andere, zum Beispiel Krankenschwestern und -pfleger oder Behindertenbetreuer. 2011 wurden bundesweit 5978 Übergriffe gemeldet. Die meisten Angriffe erlebten übrigens Verkäufer. Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sind sie jedoch nicht besonders gefährdet. Es sei nur ein Beruf, in dem besonders viele Menschen arbeiten. Neben dem Pflegepersonal tauchen in der Statistik auch Taxifahrer, Freizeit- und Wellnesspersonal, Wach- und Sicherheitsleute, Polizisten und Schaffner auf.

Deeskalationstraining

Mitarbeiter von Jobcentern gehören laut Statistik nicht zu den zehn Gruppen mit den meisten Vorfällen. Doch wie lassen sich solche Übergriffe vermeiden? Und wie geht man mit kleineren Angriffen um? Laut Christian Otto geht es jedoch vor allem darum, ganz natürliche Instinkte wieder zu aktivieren. Der Sozialpädagoge bietet seit 2004 bundesweit Deeskalationstrainings an. Ganz wesentlich ist laut Otto, genau hinzusehen und hinzuhören: "Ist die Stimme laut und gepresst, stammelt er, kommt der Atem stoßweise und kurz, hat er geschwollene Adern, einen roten Kopf, große Augen: Es gibt 30 bis 40 Anzeichen, die wir kennen, man muss nur das Bauchgefühl aktivieren." Kämen einige Anzeichen zusammen, empfiehlt er den Leuten, nicht mehr zu deeskalieren: "Man sollte sehen, dass man wegkommt." Ist die Situation weniger dramatisch, können die richtige Körperhaltung und Sprache für Entspannung sorgen.

Opferhaltung

"Man sollte immer vermeiden, in die Opferhaltung zu gehen, sich klein zu machen und ängstlich zu schauen", sagt Otto. Von oben herab dürften Mitarbeiter dann aber auch nicht reden. "Ein Kollege wurde einmal von einem Jugendlichen verprügelt, der zu spät zu einem vereinbarten Termin kam. Er hatte gesagt: "Hör mal mein Freund, schau mal auf die Uhr!" Auch Fachwörter könnten provozieren. Und die Aufforderung, ruhig zu bleiben, sorge meist eher für das Gegenteil.

Um in Ausnahmesituationen eine kühlen Kopf zu bewahren, sollten Arbeitnehmer sich immer klar machen: "Der beleidigt nicht mich als Person, sondern die Position, in der ich stecke." Nach einem Übergriff bestehe die größte Herausforderung darin, wieder zur Arbeit zu gehen. Es helfe außerdem, das negativ besetzte Ereignis neu zu bewerten: "Ich weiß jetzt, dass ich in solche Situationen geraten kann. Ich kenne wichtige Signale, die sie ankündigen. Ich bin vorbereitet. Ich habe mehrere Möglichkeiten zu reagieren. Ich kenne hilfreiche Unterstützungsmöglichkeiten."

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