Neuss Thomas Freitag wütet gegen die Welt

Neuss · Der Kabarettist schlüpfte im Landestheater in die Rolle des "Kaltwütigen Herrn Schüttlöffel".

 Thomas Freitag kam als Herr Schüttlöffel.

Thomas Freitag kam als Herr Schüttlöffel.

Foto: Pepijn Vlasman

Die Bücherei soll geschlossen werden. Die Stadt hat kein Geld mehr für ihren Unterhalt. Nach 30 Jahren würde Bibliothekar Sebastian Schüttlöffel von seinen geliebten Büchern getrennt. Der biedere Angestellte rastet aus. Er verbarrikadiert sich an seinem Arbeitsplatz - mit 5800 Büchern als Geiseln ...

Ein Bibliothekar, der unwirtschaftlich gewordenes Kulturgut gegen die Zwänge des Marktes verteidigt - was für eine absurde Vorstellung! Der perfekte Rahmen für den bissigen Kabarettisten Thomas Freitag. In "Der kaltwütige Herr Schüttlöffel" in der Kabarettreihe "neuss.20.30" des RLT brilliert er in der Rolle des Bibliothekars. Und nicht nur in dieser. Denn manchmal verschwindet Schüttlöffel und macht den Figuren aus seinen geliebten Büchern Platz.

Kafkas Affe aus "Ein Bericht für eine Akademie" tritt auf. Er beklagt sich über den Weg, den die Menschheit geht. Karl Marx schlurft über die Bühne und stellt traurig fest: "Meine Ideen sind super, aber sie funktionieren nicht." Das Problem am Kapitalismus seien nicht die Unternehmen, sondern die gierigen Konsumenten. "Die deutsche Textilindustrie ist tot, weil die Leute T-Shirts für drei Euro kaufen wollen und billig um die Welt fliegen. Ich schrieb den Satz 'Proletarier vereinigt Euch!' - aber doch nicht um für 30 Euro zum Kegeln nach Malle zu fliegen!"

Thomas Freitag ist auch der Pommesbudenbesitzer Siggi, der beim Schnitzel-Tauen den Philosophen Foucault liest. Seinen Laden muss er bald schließen, weil alle nur noch Salat essen und sich optimieren wollen. "Die Saladisten bedrohen unsere Kultur", sagt Siggi und propagiert dann die fettige Fritte als Bollwerk gegen den Optimierungswahn.

Der Bibliothekar Schüttlöffel will die letzten Rückzugsorte der Bildung und Ruhe in einer immer schneller werdenden Zeit beschützen. Und er ist wütend. Seine Wut richtet sich gegen Zeitgeist und politischen Irrsinn, gegen das Sparen an der Kultur, Schnäppchenjagden, Kapitalismus, Gleichmacherei und angebliche Alternativlosigkeit. Angela Merkel als Schöpferin des "alternativlosen Politikstils", habe keine Position. Sie sei die Mutti, die sich kümmert. "Aber ich frage mich immer: Was macht die eigentlich beruflich?" Freitag brachte das Publikum zum Lachen und ins Grübeln. Und hat eine Botschaft: "Lasst uns einen neuen Aufbruch wagen."

(NGZ)
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