Neuss Theatermacher aus Kabul

Neuss · Im afghanischen Kabul ist Theaterspielen etwas Besonderes, das Proben nur unter Lebensgefahr möglich. Die Gruppe Rah-e Sabz ist dafür nach Indien gereist und hat da Shakespeare "Komödie der Irrungen" erarbeitet.

Neuss: Theatermacher aus Kabul
Foto: Woitschützke, Andreas

Das Wort vom "Theatermacher" bekommt eine ganz neue Bedeutung, wenn man die Geschichte der Truppe Rah-e Sabz (Pfad der Hoffnung) aus Kabul hört. Denn dass Theatermachen unter den Umständen in Afghanistan überhaupt möglich ist, kann nur etwas mit unbedingter Leidenschaft zu tun haben. "Wir sind verrückt", formuliert es dagegen ganz trocken die Regisseurin und Schauspielerin Corinne Jaber, die seit 2005 mit Rah-e Sabz arbeitet und großen Wert darauf legt, dass die Gruppe auch in Afghanistan auftritt. Masar und Herat waren schon die Auftrittsorte, vor begeisterten Zuschauern etwa auf einem Markt — aber alle ausschließlich Männer.

 Die Afghanen haben den

Die Afghanen haben den

Foto: Woi/privat

"Verlorene Liebesmüh" hieß die Produktion damals, und weil Shakespeare in Afghanistan nicht minder geliebt wird als in europäischen Ländern, fiel auch jetzt die Wahl auf ein Werk von ihm: die "Komödie der Irrungen" haben die neun Schauspieler und drei Musiker einstudiert, zeigen sie heute Abend im Neusser Globe.

Wenn es doch so einfach wäre. Denn die Company ist nicht ganz so vollzählig in Neuss eingetroffen wie sie nach London zum ersten europäischen Auftritt gereist ist. Nur sieben Darsteller sind angekommen. Einer aus der Truppe, der auch in England lebt, ist des nachts nach Kanada geflogen, um auf Geheiß seiner afghanischen Familie dem kranken Bruder beizustehen; eine Schauspielerin hat kein Schengen-Visum für Deutschland bekommen. "Warum — das weiß nur das Deutsche Konsulat in Kabul", erklären Jaber und Festival-Leiter Rainer Wiertz. In 24 Stunden also müssen die beiden ersetzt werden, und so springt die Regisseurin selbst ein, wird ihre Texte allerdings in Englisch sprechen. Das wiederum verstehen nicht alle afghanischen Darsteller, was dazu führt, dass die Stichworte für sie über andere Dinge deutlich werden müssen. Also sind noch mal Proben angesetzt, was die Truppe allerdings mit Gelassenheit zu nehmen scheint.

Gemessen an den Umständen in Kabul ist das wohl auch nur eine Kleinigkeit. Für die Einstudierung ist die Gruppe aus Sicherheitsgründen nach Indien ausgewichen; bei Aufführungen in der Heimat muss sie sich an viele Regeln halten. "Männer und Frauen dürfen sich nicht berühren, nicht tanzen, nicht singen", erklärt Jaber, die schon im Vorfeld Hindernisse überwinden muss. So ist es grundsätzlich sehr schwer, junge Frauen auf die Bühne zu bekommen. "Wenn sie erst verheiratet sind, geht das oft gar nicht mehr, weil Mann oder Familie es nicht wollen und sie auch für längere Zeit zu Aufführungen nicht weggelassen." Dass sie dennoch nicht locker lässt, hängt auch mit Menschen wie Roger Granville zusammen. Ein Engländer, der in Oxford Afghanisch studiert hat. Er fungiert als Produzent und kann zudem perfekt übersetzen.

(NGZ/url)
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